Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)
beugt er die Knie, um den Rücken zu schonen. Der denkt an seine Gesundheit. Schweigend machen sich die beiden mit ihrem gefüllten Behältnis auf den Weg. In ihren Gesichtern ist nichts zu lesen, außer der antrainierten Pietät. Schrecken hat der Tod für sie keinen zu bieten.
»Ihre Mama war ahnungslos, dass das Madl einen Wohnungsschlüssel vom Vater hat, sonst hätt sie es ja sofort mitgeteilt. Die Frau ist vollkommen am Ende! Der Vater wäre befragt worden, sagen die Kollegen von der Inspektion 47. Sitzt aktuell ein wegen Körperverletzung. Der hat sich ausgeschwiegen. Wollte keine Scherereien. Begleiteten Umgang mit seiner Tochter hatte das Familiengericht erlaubt, falls er sich an die Spielregeln hielte. Seine Wohnung hat daraufhin niemand als heiße Spur eingeschätzt. Die Kollegen haben geläutet. Nichts hat sich gerührt. Sie haben sich wieder getrollt«, sagt die Ermittlerin. Ihre Augen folgen dem Leichentransport die Stufen hoch nach draußen.
Der Wenzel greift sich an die Stirn. »Na klar, seine Tochter sollt ihm bloß den Hibiskus gießen, während er einsitzt. Verdammt, Sie sind die leitende Ermittelnde!«
»Soll heißen?«, braust die Wiesner auf. Die Blicke der Umstehenden sind ihr sicher. »Ich hab nur grad mal eben die Meldung bekommen, da wäre niemand anzutreffen gewesen. Die Kollegen hätten die Wohnung aufbrechen müssen oder sich Schlüssel besorgen. Einen Hausmeister auftreiben, irgendwas. Logisch, aber soll ich ihnen den Kopf abreißen? Sie haben vor Ort entschieden. Punkt. Vielleicht ist der Drecksschlüssel auch einfach unter der Fußmatte gelegen? Soll ich bei jedem Kasperl Händchen halten? Was glauben Sie, wie mich das ankotzt.«
»Ja klar, es hat geregnet und war spät. Ich will ihre Namen auf meinem Schreibtisch.« Sie gibt dem Wenzel nicht oft recht. Diesmal schon. Sie hätten sich mehr Mühe geben können. Geben müssen! Sie hätte sie jetzt gerne hier. Einen Blick auf den Toten sollten sie werfen. Schauts her, vielleicht hättet ihr das verhindern können! Vielleicht könnte der noch leben, wenn ihr nicht so letschert dahergekommen wärt! War für sie eine Routineangelegenheit gewesen. Wahrscheinlich schon vom warmen Bett in den Armen ihrer Tusneldas geträumt, die beiden. Hinterher bist du immer schlauer. Vielleicht ist das Pärchen gestern nicht hier gewesen. Selbst der Sandner hatte den Geistesblitz erst vor einer halben Stunde gehabt, als der Junge längst tot war. Die Beamten suchten bereits die Umgebung ab. Das Mädel hat eine halbe Stunde Vorsprung. In einer halben Stunde kannst du weit kommen in der Stadt. Zu weit. Hoffentlich genug Distanz zum Mörder.
»Für mich soll’s rote Rosen regnen«, hallt es durch den Flur. Es ist der polizeieigene Nerd. Er meldet ihr einen Treffer. Er klingt aufgeregt, wie vor dem ersten Date. Das Mädchen hätte das Handy aktiviert. Nur kurz, aber immerhin. Klar, die SMS an den Sandner. Alle verfügbaren Einsatzkräfte, wie es so hochtrabend heißt, werden sich bald um einen Handymast tummeln wie die Festgesellschaft um den Maibaum. Was ist schon verfügbar am Sonntagnachmittag? Die Bayern haben heut Abend Heimspiel in der Fröttmaninger Arena. Schalke ist zu Gast. Das hat Priorität. Dabei wär’s den Manschgerln eh lieber, sie könnten sich unbehelligt die Birne weichklopfen – respektive noch weicher. Dass der Homo sapiens ruckzuck zum Viech mutiert, sobald er einen bunten Schal um den Hals hat, ist faszinierend. Das klappt mit jeder Art Verkleidung – von der weißen Kapuze bis zur schicken Uniform.
Du hast Hundestaffeln, Hubschrauber, Wärmebildkameras, Polizisten hoch zu Ross, Firlefanz und Trallala – fehlen bloß noch Jedi-Ritter im Präsidium, aber du schaffst es nicht, eine verschwundene Dreizehnjährige in München aufzuspüren. Madre mia!
A uch der Hartinger will jemanden aufspüren, der verschwunden ist. In ihm ist es kalt. Er ist Tiefkühlkost, gefrorener Berg, ein Gletscher, ewiges Eis. Nicht ein wärmender Gedanke.
Er ist wieder in die Lindwurmstraße gefahren. Der Doktor Joseph von Lindwurm ist mit den Auswirkungen geschlechtlicher Verbindungen vertraut gewesen. Vor allem mit der Syphilis. Aber gegen das Leiden, das den Hartinger plagt, hätte er auch kein Pülverchen in der Tasche gehabt.
In der Wohngemeinschaft war dem Rotschopf kein Erfolg beschert. Ein verstrubbelter Student mit Discounterbrille hat ihm die Tür geöffnet und verkündet, die Isabella wäre nicht da. Keine Ahnung, wo sie wäre oder wann sie
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