Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)
wäre unser Rachefeldzug. Und Beweise haben wir nicht – selbst das Kokain ist weg. Das könnte er sich geschnappt haben, als er die Frau Yilmaz nach Hause gebracht hat.«
»Wieso hat der Kastelmeyer gerochen, dass das Madl hier sein könnte? Wenn nicht einmal die Mutter geahnt hat, dass ihre Tochter einen Schlüssel hat.«
»Vielleicht hat er das Madl mal beim Slatko angetroffen, wie er den wieder mal abfieseln wollt. Keine Ahnung. Am Zeug flicken können wir ihm eh nicht. Der ist nicht dumm.«
»Scheißdreck. Soll der verreckte Hundling das Madl auch noch erwischen? Vorher sack ich ihn ein. Wurscht wie. Und wenn ich ihn ...«
»Dazu musst du wissen, wo er ist. Er ist nämlich weder auf seiner Inspektion noch im Einsatz.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich hab meine Quellen. Eine patente Kollegin von seiner Inspektion 47 hält mich auf dem Laufenden. Er ist vor einer Viertelstunde los. Schicht im Schacht.«
»Scheißdreck.« Der Sandner haut aufs Armaturenbrett. »Unsere Zeugin kennt den Kastelmeyer, und er weiß das. Wenn der das Madl vor uns findet ...«
»Sollte er nicht.«
»Gegenprobe. Haben wir sonst jemanden auf dem Zettel?«
»Was denkst du?«
»Nein – einzig die Frage, warum der Fuhrer den Kastelmeyer nicht erkannt haben will. Zwei Sekunden. Zeit genug müsste er gehabt haben.«
»Wenn es der Fuhrer nicht doch selbst gewesen ist. Auf jeden Fall ist mir jetzt klar, warum sich das Madl nicht meldet«, sagt die Wiesner, »die hat Angst.«
»Und zwar vor der Polizei. Deswegen nimmt sie auch keinen Kontakt mit ihrer Mutter auf. Da geht der Kastelmeyer ein und aus, wie er es braucht.«
»Scheißdreck«, bestätigt die Wiesner. »Aber immerhin hat er sie hier nicht erwischt. Bloß ein T-Shirt ist rumgelegen.«
Beim Sandner piepst es in der Hosentasche. Er zieht sein Handy aus der Tasche und schaut auf die eingetroffene Nachricht. Seine Augenbrauen wandern in die Höhe.
Nur ein Wort: »Wo?«, liest er auf dem Display.
»Zum Glück bin ich nicht bei der Polizei«, sagt der Hauptkommissar. »Zeit wird’s, dass sie bald wieder nach Hause kann. Sehr bald.«
Der Jonny linst verblüfft auf die Schriftzeichen.
»Ist das von dem Madl?«, will er wissen. Keiner schenkt seiner Frage Beachtung.
»Verschrei es nicht«, wird der Sandner von seiner Kollegin ermahnt.
D ie Wiesner bekommt vom Wenzel einen Blick, der wohl seine Version von Mitleid gepaart mit Vorwurf darstellt. Er hat die Hände in die Hüften gestemmt und lässt die Augen über den Schauplatz des Mordes wandern. Vor der Wohnung versuchen sich die ersten Presseleute durchzumogeln für den entscheidenden Schnappschuss. Es geht zu wie auf dem roten Teppich bei der Bambiverleihung. Zweitklassiger Rahmen, erstklassiges Tohuwabohu. Rufe werden laut.
»Herr Staatsanwalt! Können Sie uns schon etwas sagen? Wer ist das Opfer? War es ein Mord? Hey, Wenzel, hierher schauen!«
Dabei wissen die Burschen genau, dass die Sprecher der Staatsanwaltschaft erst bei der Pressekonferenz den Mund aufmachen. Dafür werden jetzt die Uniformierten in die Mangel genommen. Die schütteln im vereinten Schweigen die Köpfe. Noch hält die Absperrung.
Ein Leichenwagen bahnt sich seinen Weg in den Hof. Rückwärts rollt er nahe an das Gebäude heran. Die Gaffermeute spritzt auseinander. Wie die Viehhirten treiben Beamte die neugierige Herde zurück auf die Straße und schließen das Durchgangstor. Kameras halten jede ihrer Bewegungen fest. Ruhe tritt ein. Alle pusten durch.
»Jetzt haben wir den Schlamassel«, keift der Wenzel. »Wieso ist keiner auf die Idee gekommen, hier vorbeizuschauen?«
»Bin ich Jesus?«, mault ihn die Wiesner an. »Gestern Abend war eine Streife hier.« Schlamassel ist nicht das Wort, das sie gewählt hätte. Zwei Meter von ihnen entfernt wird gerade ein Sechzehnjähriger in einem Zinksarg verstaut. Sie hat kein Bedürfnis, sich mit dem Staatsanwalt zu duellieren. »Wenn« und »hätte« sind dabei so unbrauchbar wie eine Nagelfeile, um ein Schwein zu tranchieren. Und das würde sie gerne. Das Schwein in mundgerechte Stücke zerlegen, das hier am Werk gewesen ist.
»Ich erwarte nicht, dass Sie übers Wasser wandeln, Frau Oberkommissarin, oder Tote auferstehen lassen. Nur Ihren Job sollten Sie machen«, schnauzt der Wenzel sie an. »Und wie weiter?«
Sie atmet durch und beobachtet die Bestatter bei ihrer Arbeit. Ein Riese und ein Zwerg. Was der eine im Stehen erledigt, fordert vom anderen eine tiefe Verbeugung. Beim Anheben der Last
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