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Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)

Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)

Titel: Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Krause
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Hauptkommissar nicht hackeln. Im Kopf geht er die Mieterliste durch. Die beiden Grazien im ersten Stock wohnen seit mehr als fünf Jahren im Haus. Potenzielle Zeuginnen. Er könnte sich später mit ihnen befassen.
    »Einen schönen Tag noch«, wünscht er ihnen.
    Sie nehmen keine Notiz, verhakeln sich in Für oder Wider von »Problemmännern« im Allgemeinen. Es könnt ja immer alles derber kommen beim Nächsten. Du steckst nicht drin. Besser wird’s nur in der Phantasie. Das Thema ist ausgelatscht, wie ein alter Schlappen.
    A m einzigen Eingang im Dachgeschoss ohne Namensschild befindet sich die Zeichnung eines Kreises, der von Strichen in acht Teile zerlegt wird. Die Bedeutung erschließt sich dem Sandner nicht.Der grobe, maisfarbene Fußabstreifer wirkt, als würde er dir die Sohlen gleich mit abschmirgeln. Das muss die richtige Adresse sein. Wie der Polizist läutet, dauert es eine Weile, bis die Tür geöffnet wird.
    Der Mann ist größer als der Sandner. Vielleicht Anfang dreißig, geschmeidig in seinen Bewegungen. Naheliegende Berufung: Tangotänzer oder Raubkatze. Eine auffallende Erscheinung. Zur löchrigen Jeans trägt er einen farbenfrohen, mexikanisch anmutenden Poncho – der Schädel ist kahl rasiert und glänzt wie frisch gewienertes Linoleum. Der Polizist wird von bergbachklaren, blauen Augen unter buschigen Augenbrauen gemustert. Zu Füßen des Glatzkopfs kauert eine rostbraune Terriermischung und starrt ihn ebenso durchdringend an wie das Herrchen. Keinen Mucks macht das Zamperl.
    »Josef?«
    »Ja.«
    »Komm.« Weder Mann noch Hund geben einen ergänzenden Laut von sich. Plaudertaschen sind das definitiv keine.
    D ie Wiesner kann sich über mangelnde Gesprächsbereitschaft nicht beschweren. Sie hat ein anderes Vogerl gefangen. Singvogel. Auch optisch ist ihr augenblickliches Gegenüber das Gegenteil von Sandners Chingachgook. Klein, dicklich, das weiße Hemd klebt an dem Mann, als wär er damit gerade der Badewanne entstiegen. Die spärlichen Haare sorgfältig über die kahlen Stellen drapiert, die Zähne vom Nikotin gelblich eingefärbt.
    Beim Pflegedienstleiter des Altenheims lässt Nervosität die Worte springen und übereinanderfallen gleich Zwergerln in der Hüpfburg. Dass so etwas noch nie vorgekommen wäre, sie alle Standards einhielten und die Heimaufsicht und die Sorge um die Frau Brauner, so sprudelt es dahin. Er kann seine sächsische Herkunft nicht verleugnen. Die Stimme quietscht der Wiesner im Gehörgang, als würde ein Schimpanse auf der Tin Wistle üben.
    Mit dem Hartinger ist sie vor ein paar Minuten im Pasinger Altenheim aufgetaucht. Erstaunlicherweise ist es keine »Residenz«, wie sich so viele zynisch benennen. Der Duden erklärt das Wort als Wohnsitz eines Staatsoberhauptes, Fürsten oder eines hohen Geistlichen. Die Vorstellung, im Alter in eine Wohngemeinschaft mit solchen Gestalten gepfercht zu werden, ist Abschreckung genug.
    In Pasing ist es ein schlichtes Heim. Letzter Wohnsitz für Senioren. Eine passable Ecke hat sich der Betreiber ausgesucht, ganz in der Nähe des Stadtparks. Zehn Minuten weg von Brauners Häuschen in Obermenzing, sofern du noch einen Führerschein hast. Etwas begrünt, aber doch städtisch genug, um nicht in der Pampa die Grashalme zählen zu müssen.
    Wie die beiden Kriminaler zuvor beim Haupteingang gestanden sind, haben sie sich einen vielsagenden Blick zugeworfen. Sobald du durch die Gänge schlurfst, katapultiert sich dein Hirn im Zeitraffer in die Zukunft und du rupfst deine verbleibenden Lebensjahre ab wie die Blätter vom Gänseblümchen. Im Falle der Wiesner, die im Dezember den Dreißigsten feiern wird, reicht ein Blümerl zum Glück noch nicht. Der Hartinger, in jugendlicher Blüte, glaubt noch über die saftige Blumenwiese zu galoppieren, gleich einem Fohlen, und ist dementsprechend unbeeindruckt.
    Natürlich ist das hier keine Verwahranstalt. Freundlich-helle Farben, Pflanzenkübel allüberall, automatische Glastüren, lindgrünes Linoleum. Sogar »Der Kuss« von Klimt hängt als Druck an der Wand, mehr Erinnerungsstütze denn Anregung. Gleich daneben: »Sonnenuntergang am See.« Fehlte nur »Das Jüngste Gericht« von Rubens – als Zukunftsvision. Niemand soll sagen, im Seniorenheim besteht Kultur nur aus Kegeln an der Wii und der Samstagskomödie bis zum Einnicken um neun.
    Sie waren erwartet worden. Ein bulldoggengesichtiges Faktotum im hellblauen Kittel, nebst Birkenstocksandalen und bronzenem Heilarmreif, hat sie in Empfang

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