Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)
rum wegen einem Schlüsselbund. Hätt ja am Mord nix geändert. Liegt ja alles auf der Hand.«
»Von der Geschichte verabschied ich mich grad, Brauner. Weil unter der Hand spielt sich zu viel ab.« Der Sandner schaut ihm ins Gesicht. »Oder sollt ich dich anlügen?«
»Ach Scheißadeckl«, brummt der Alte und stiert vor sich hin.
Eine halbe Stunde dauert die Zusammenkunft. Hin und her rollen sie die mageren Ergebnisse, wie einen Mürbteig. Er bleibt bröselig. Für einen Kuchen langt es nicht. Der Jonny wird auserkoren, den Wenzel sowie den Polizeirat auf dem Laufenden zu halten. Rudimentär. Er freut sich wie ein Schneekönig.
»Soll ich auch die Stube rauswischen, bis ihr wieder da seits?«
Dass es sein erster nützlicher Beitrag wäre, bekommt er dafür vom Brauner serviert. Knurrend – bedrohlicher Unterton. Der Stock liegt griffbereit. Mit Zynismus sollte der Bursch dosiert umgehen. Der Oberstaatsanwalt a. D. ist dem Tagesgeschäft entfremdet, und wenn das Leben der eigenen Mutter am seidenen Faden hängt, bist du wenig empfänglich fürs Heitere. Die Anspannung zeigt sich auf den Gesichtern. Gleichzeitig springen sie auf.
Die drei Musketiere werden getrennte Wege gehen. Der Sandner darf mit dem Hartinger zumindest zurück in die Münchner »Zivilisation« fahren. Bei der nächsten passenden U-Bahn-Station wird der seinen Fahrgast verabschieden. Er wird sich mit den Altenpflegerinnen beschäftigen, unangekündigte Hausbesuche, seine Kollegin will sich Frau Fuhrers Zahnarzt widmen. Dienstausweis statt Krankenkassenkarte. Für den Hauptkommissar steht eine neue Harthof-Erfahrung auf dem Programm.
Der Brauner und der Jonny stehen auf dem Rasen und sehen ihnen nach. Interessantes Gespann, einer neidisch, der andere grimmig. Immerhin will ihnen keiner der beiden eine gesunde Brotzeit mitgeben oder wirft ein »Pass auf dich auf!« hinterher – vom Abschiedsbussi nebst Winken ganz zu schweigen.
I sabella Weihrich wohnt in Sendling. Von Sandners Untergiesinger Heimathafen müsstest du nur die Isar überqueren, dann wärst du im Stadtteil.
Ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft hat die Altenpflegerin in der Lindwurmstraße, nicht weit vom Denkmal des Schmieds von Kochel. Ein Protagonist der Sendlinger Mordweihnacht. Die Legende sagt, dass er sich mit seiner zentnerschweren Nagelkeule an der Spitze der bäurischen Aufständischen gegen die Besatzungstruppen des Kaiser Josefs gestemmt hatte. Letztendlich wurden alle tausendeinhundert Mann rund um die alte Sendlinger Pfarrkirche niedergemetzelt. Eine heroische Statue ist es, einen Schmiedehammer hat die halb nackte, muskelbepackte Gestalt in der Faust, gleich Vulkanus, Gott des Feuers. Dazu die Fahne, unabdingbar für einen Helden. Neunzehnhundertelf ist der gegossene Schmied dort aufgesockelt worden, vielleicht als Ansporn für den bevorstehenden Vaterlandskampf. Der eine oder andere Hasenfuß mag ein Mahnmal darin sehen, sich nicht mit der Obrigkeit anzulegen. Da könntest du im Freistaat jederzeit für verrückt erklärt werden.
Heutzutage wird das bronzene Standbild nicht mehr beachtet. Dafür ist diese Ecke Münchens zu beschäftigt. Dich mittels einer Nagelkeule auf dem Weltmarkt durchzusetzen kannst du vergessen. Das ahnen mittlerweile sogar die Nordkoreaner. Sendling ist ein Sinnbild für den Saft in der deutschen Batterie. Die Leut sind emsig bei der Arbeit, unter anderem beim mächtigen Elektronikriesen, der hier die allerersten Hochhäuser fürs Personal hingeklotzt hat. Wie im Bienenstock brummt und summt es überall. Als wäre die Sendlinger Großmarkthalle über das ganze Viertel gewuchert und stünde in voller Blüte.
Davon will sich der Hartinger nicht anstecken lassen. Er lauscht den »Sportfreunde Stiller«-Hymnen und summt dazu, während er mit dem Auto dahinkriecht. Als Fußgänger kannst du die Geschwindigkeit der Blechschachteln locker halten, so deine Lunge nicht kollabiert. Das ist kein Feinstaub, da wird mit grobem Dreck geworfen, der die Umgebung einfärbt wie die Schlammpackung eine Wildsau. Aber du kannst ein Wunder erleben. Hautnah dabei. Kamel an Kamel presst sich an den Verbindungsstraßen durchs Nadelöhr. Ob die Reichen deshalb einen Platz im Himmel ergattern werden, bleibt abzuwarten. Tendenziell unwahrscheinlich.
Für den Hartinger stellt sich die Frage bei seinem Gehalt eh nicht. Auch die Weihrich-Isabella, der er einen Besuch abstatten will, wird den Traum vom Reichtum aufs nächste Leben verschieben müssen. Es wäre ja
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