Der Tod kommt in schwarz-lila
aus und ging auf den Audi zu. Nach einer kurzen Unterhaltung mit den beiden Männern im Wagen kehrte er zurück. »Das sind meine Beamten. Das Haus liegt hinter der nächsten Biegung. Bislang hat sich nichts getan. Nicht einmal die Vorhänge wurden aufgezogen. Es scheint alles tot hier draußen.« Er nahm wieder neben Trevisan Platz.
»Tot«, hallte es in Trevisans Kopf.
Sie fuhren noch ein kleines Stück, dann stoppte Monika am Fahrbahnrand. Hinter einem sanften Hügel war das schwarze Dach eines Hauses zu erkennen.
»Da vorne ist es«, erklärte Hagen.
Trevisan sah sich um. Er hatte das Gefühl, als habe er dies alles schon einmal erlebt. Die Transporter des Einsatzkommandos hielten direkt hinter ihnen. Der Einsatzleiter stieg aus. Hagen und Anke Schulte-Westerbeck schlossen sich ihm an. Trevisan und Monika blieben im Wagen zurück.
»Glaubst du, er ist dort?«, fragte Monika.
»Ich sagte doch schon, ich glaube es nicht. Ich befürchte, dass wir dort nur den Tod treffen werden«, sagte er nüchtern.
»Was meinst du damit?«
Bevor Trevisan antworten konnte, trat Hagen an den Wagen heran und öffnete die Tür. »Ein Teil der Einsatzkräfte wird zunächst das Gebäude umstellen. Erst wenn die Absperrung steht, rückt eine Gruppe vor.«
»Und dann?«, fragte Trevisan.
»Sie werden zuerst klingeln und wenn niemand öffnet, stürmen sie das Haus. Schließlich besteht der dringende Verdacht, dass sich ein Mörder darin versteckt.«
Trevisan hatte ein ungutes Gefühl in der Magengegend.
*
Direkt vor dem alten Gasthaus stoppten die Transporter. Schwerbewaffnete Männer in dunklen Einsatzanzügen, mit Schutzweste, Helm und Maschinenpistole, sprangen aus den Fahrzeugen. Zielsicher steuerten sie ihre Positionen an. Einer um den anderen ging in Deckung. Sie verschanzten sich hinter Bäumen und Büschen, hinter Zaunpfosten und allem, was sich sonst noch bot. Sie waren vorsichtig. Erst als das Gebäude abgeriegelt war und der Einsatzbefehl kam, trennten sich sechs Polizisten aus der Gruppe und schlichen, eng angeschmiegt an die Hauswand, auf den Eingang zu. Einer betätigte die Klingel. Sie warteten. Der Mann läutete Sturm. Im Haus regte sich nichts.
Schließlich setzte ein Beamter ein Brecheisen an. Die altersschwache Holztür konnte dem Eisen keinen Widerstand entgegensetzen. Krachend flog sie auf. Geduckt sprangen zwei Polizisten in den Flur. Die Maschinenpistolen hielten sie im Anschlag.
Weitere Männer folgten. Meter um Meter schlichen sie sich voran. Tür um Tür wurde aufgestoßen, Raum um Raum durchsucht. Es gab keine Anzeichen von Gefahr. Die Gästezimmer waren leer. Sie schienen schon eine Weile unbewohnt. Staub lag auf den Schränken und Tischen.
Als sie die Tür zum Wohnbereich aufbrachen, schlug ihnen ein übler Gestank entgegen. Sie hasteten weiter. Auch das Wohnzimmer war menschenleer. Das Schlafzimmer lag im Halbdunklen. Im schwachen Licht waren unzählige abgebrannte Kerzenstummel auf dem Boden zu erkennen. Eine Art Altar stand neben der Tür. Der Gestank wurde unerträglich. Als der Strahl der Taschenlampe über das Bett strich, sahen sie den Grund für den entsetzlichen Geruch.
Eine alte Frau mit schlohweißen Haaren und schwarzem Sonntagskleid lag wie aufgebahrt im Bett. Ihre Hände ruhten gefaltet in ihrem Schoß. Eine lila Schärpe lag um ihre Schultern. Einer der Beamten betätigte den Lichtschalter. Die Frau auf dem Bett war schon lange tot, doch von Sven Sörensen fehlte jegliche Spur. In diesem Haus gab es kein menschliches Leben mehr. Trevisans Befürchtungen hatten sich bestätigt.
Trevisan stand vor dem Haus und sog die frische Luft in seine Lungen. Es hatte aufgehört zu regnen.
Der Körper der Frau war schon in Verwesung übergegangen. War sie eines natürlichen Todes gestorben oder hatte ihr Sohn sie ermordet? Das würden nur noch die Gerichtsmediziner feststellen können. Die Spurensicherung hatte ihre Arbeit aufgenommen.
Trevisan hatte eine Weile stumm vor dem Altar im Schlafzimmer gestanden. Nachdenklich hatte er die Bilder betrachtet. Das Gesicht des kleinen, lachenden Mädchens auf einem der Fotos ging ihm nicht mehr aus dem Sinn.
Auf dem Altar lag eine schwarze Decke mit einer lilafarbenen Einfassung. Schwarz-Lila, die Farben des Todes. Hatte Sven Sörensen deshalb diese Farben für seine Taten gewählt?
Die Frau hatte den Tod ihrer Kinder und ihres Mannes wohl nie überwunden. Dieser Altar war ihre Art gewesen zu trauern. Trevisan konnte sich vorstellen, welches Leben
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