Der Tod kommt in schwarz-lila
wusste, wie schwer es ihr fallen musste, sich angesichts des Todes ihres Mannes auf solche Nebensächlichkeiten zu konzentrieren. Er wechselte das Thema. Er wollte die Frau nicht zu sehr in die Enge treiben. Sie brauchte Zeit. »Ich habe noch eine Frage«, sagte Trevisan. »Gab es in der letzten Zeit einen ungewöhnlichen Vorfall? Etwas, das nicht in das Alltagsgeschehen passt, egal was, sagen Sie es ruhig. Alles kann wichtig sein.«
Eva Grevenstedt blickte Trevisan überrascht an. Schließlich schüttelte sie den Kopf.
»Ich habe im Augenblick keine Fragen mehr. Ich werde mich wieder bei Ihnen melden«, sagte er und wandte sich zum Gehen.
»Moment, da fällt mir doch noch etwas ein«, sagte Eva Grevenstedt. »Vor drei Wochen wurde bei uns eingebrochen. Wir haben die Polizei angerufen, aber Ihre Kollegen haben nichts festgestellt. Sie waren der Meinung, dass der Einbrecher gestört worden sein muss.«
»Vermissen Sie nichts? Ein Bild vielleicht?«
»Woher wissen Sie das?«, fragte sie entgeistert. »Seit dem Einbruch fehlt unser Hochzeitsbild aus dem Schlafzimmer. Wir bemerkten es erst, nachdem die Polizei wieder gegangen war.«
»Haben Sie das gemeldet?«, hakte Trevisan nach.
»Mein Mann wollte, aber er hat es dann wohl doch nicht getan«, entgegnete sie.
Eine halbe Stunde später geleitete der Schwiegervater Trevisan und Petermann zur Tür. Bevor sie das Haus verließen, stürzte Eva Grevenstedt ihnen nach. »Bitte, fassen Sie den Kerl. Sie müssen ihn kriegen. Ich will, dass er bestraft wird. Er hat mir meinen Mann genommen. Ich wünschte, er würde qualvoll sterben. Bitte, fassen Sie ihn … Sie müssen ihn …«
»Eva, hör auf! Reiß dich zusammen. Denk an die Kinder!«, schrie ihr Vater sie an.
Als sie das Wort Kinder hörte, wurde sie wieder ruhig.
»Entschuldigen Sie, Herr Kommissar. Ich weiß nicht mehr ein noch aus. Bitte verstehen Sie mich. Ich kann es einfach nicht glauben.«
Trevisan verstand.
Draußen regnete es in Strömen.
»Wohin fahren wir jetzt?«, fragte Dietmar, als sie wieder im Wagen saßen.
»Zurück an den Tatort, wohin sonst?«, antwortete Trevisan.
Es war drei Minuten nach fünf.
*
Sie fuhren auf der Landstraße nach Wangerwarden. Trevisan saß am Steuer und ging nochmals Stück für Stück das Gespräch mit Eva Grevenstedt durch. Sie musste ihren Mann sehr geliebt haben. Sie würde eine geraume Zeit brauchen, bis sie überhaupt registrierte, was geschehen war. Es würde eine schmerzvolle und tränenreiche Zeit werden.
»Glaubst du, er schlägt noch mal zu?«, unterbrach Dietmar Petermann die lastende Stille.
»Ich bin mir nicht sicher, aber es scheint ein Muster dahinter zu stecken.«
»Wie kommst du darauf?«
»Erinnere dich an die Helge«, sagte Trevisan. »Er hätte den Kutter ganz einfach versenken können, in dem er die Ventile öffnet. Er hat es aber nicht getan. Im Fall Grevenstedt hätte er die Leiche ins Wasser werfen oder sogar versenken können. Aber auch das lag nicht in seiner Absicht. Im Gegenteil. Er hat den Mann in ein Netz gewickelt und das Netz sogar mit einer Schnur an das Geländer gebunden, damit er nicht untergeht oder von der Strömung mitgerissen wird. Er will auf sich aufmerksam machen.«
Sie fuhren durch Hohenkirchen und an Wangerwarden vorbei, ehe Trevisan nach links in Richtung Schillig abbog. Der Regen hatte nachgelassen.
»Warum tut er das?«, fragte Dietmar plötzlich.
»Darüber habe ich mir auch schon oft genug den Kopf zerbrochen. Ich glaube, die eigentlichen Ziele seiner Mordanschläge waren Hansen und Grevenstedt. Hast du Grevenstedts Leiche gesehen?«
»Nein, ich bin bei Frau Trewes geblieben«, antwortete Petermann.
»Grevenstedt trieb in ein Netz gewickelt im Wasser«, erklärte Trevisan. »Die Gerichtsmediziner werden die gleiche Todesursache feststellen wie bei Hansen. Da bin ich mir sicher. Grevenstedt wurde betäubt und dann ertränkt. Bestimmt wird ihm auch ein Finger fehlen.«
»Und was ist mit Gabler?«
»Da bin ich mir noch nicht ganz sicher.«
Trevisan musste stark bremsen. Ein Wagen war vor ihm aus einem Feldweg in die Straße eingebogen.
»Eigentlich muss ich mich bei dir entschuldigen«, sagte Dietmar nach einer Weile kleinlaut.
»Wieso?« Trevisan bemerkte seine innere Unruhe. Dietmar richtete sich auf und blickte Trevisan an. Im Halbdunkel sah Trevisan seine funkelnden Augen.
»Ich habe dir nicht geglaubt«, antwortete Dietmar und strich sich über die Stirn. »Weißt du, Liebe, Habgier, Eifersucht, das
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