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Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)

Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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hätte bleiben können. Niemals wäre er im Beisein von Mrs. Wickham angegriffen worden. Der Angeklagte hat seine Erklärung dafür abgeliefert, weshalb Denny die Kutsche so unvermittelt anhalten ließ, und Sie werden darüber nachdenken, ob diese Erklärung für Sie befriedigend ist. Captain Denny lebt nicht mehr, er kann sein Handeln nicht erläutern, und andere Aussagen als die von Mr. Wickham liegen uns zur Aufklärung der Angelegenheit nicht vor. Wie an so vielen Punkten in diesem Fall bewegen wir uns auch hier im Bereich der Vermutung, und Ihr Urteil kann nicht anhand von unbegründeten Ansichten sicher gefällt werden, sondern ausschließlich aufgrund von unter Eid gemachten Aussagen, also anhand der Umstände, unter denen die Mitglieder des Rettungstrupps Captain Dennys Leiche fanden, und anhand der Worte, die man dem Angeklagten zuschreibt. Sie haben gehört, was er zu ihrer Bedeutung zu sagen hatte; nun müssen Sie entscheiden, ob Sie ihm glauben oder nicht. Sollten Sie sich zweifelsfrei sicher sein, dass George Wickham des Mordes an Captain Denny schuldig ist, wird Ihr Urteil ›schuldig‹ lauten. Gewinnen Sie diese Sicherheit nicht, dann hat der Angeklagte das Recht auf einen Freispruch. Sie können jetzt die Beratungen aufnehmen. Falls Sie sich für die Urteilsfindung zurückziehen wollen, steht Ihnen ein separater Raum zur Verfügung.«

10
    A m Ende des Verhandlung fühlte sich Darcy so erschöpft, als hätte er selbst auf der Anklagebank gesessen. Am liebsten hätte er Alveston um Zuspruch gebeten, doch sein Stolz hielt ihn davon ab; überdies wusste er, dass es den Anwalt ärgern würde, wenn er ihn bedrängte, und dass es gänzlich vergebens wäre. Nun konnte man nur mehr warten und hoffen. Kaum hatten sich die Geschworenen zurückgezogen, hob im Saal wieder lebhaftes Geschnatter an. Die Zuschauer unterhielten sich über die Zeugenaussagen und schlossen Wetten darüber ab, wie das Urteil ausfallen würde. Sie mussten sich nicht lange gedulden. Schon nach zehn Minuten kehrte die Jury zurück. Darcy hörte den Gerichtssekretär mit lauter, herrischer Stimme fragen: »Wer ist Ihr Sprecher?«
    »Ich, Sir.« Der großgewachsene Mann, der Darcy während des Prozesses so oft gemustert hatte und wie der natürliche Anführer der Geschworenen wirkte, erhob sich.
    »Sind Sie zu einem Urteil gelangt?«
    »Jawohl.«
    »Befinden Sie den Angeklagten für schuldig oder für nicht schuldig?«
    Die Antwort kam ohne Zögern. »Für schuldig.«
    »Wurde dieses Urteil einstimmig gefällt?«
    »Jawohl.«
    Darcy hörte sich nach Luft ringen. Er spürte, dass Alveston ihm beruhigend die Hand auf den Arm legte. Ein dichtes Stimmengewirr erfüllte den Saal – eine Mischung aus Gestöhn, Geschrei und lautstarkem Protest –, bis der Lärm plötzlich wie unter einem Gruppenzwang erstarb und sich alle Blicke auf Wickham richteten. Darcy, den der Tumult völlig in seinen Bann gezogen hatte, schloss die Augen, zwang sich, sie wieder zu öffnen und sah zur Anklagebank hinüber. Wickhams Gesicht war so starr und bleich wie eine Totenmaske. Er öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen, brachte jedoch kein Wort heraus. Er hielt sich an der Kante der Bank fest, schien kurz zu schwanken, und Darcy fühlte, wie sich seine eigenen Muskeln anspannten, während er zusah, wie Wickham die Fassung zurückgewann und sich mit sichtlicher Mühe und letzter Kraft aufrichtete. Den Blick auf den Richter geheftet, fand er seine Stimme wieder, die zuerst brüchig, dann jedoch laut und klar klang. »Ich bin an diesem Verbrechen unschuldig, My Lord. Ich schwöre bei Gott, ich habe es nicht getan.« Mit aufgerissenen Augen sah er sich verzweifelt im ganzen Gerichtssaal um wie auf der Suche nach einem freundlichen Gesicht, einer Stimme, die seine Unschuld bestätigen würden. Dann wiederholte er, diesmal in heftigerem Ton: »Ich bin nicht schuldig, My Lord, nicht schuldig!«
    Darcy sah zu dem Platz hinüber, auf dem, schlicht gekleidet und schweigend zwischen all den Seidengewändern und schwirrenden Fächern, Mrs. Younge gesessen hatte. Sie war nicht mehr da, war wohl sofort nach der Urteilsverkündung gegangen. Er musste sie finden und in Erfahrung bringen, welche Rolle sie in der Tragödie um Dennys Tod gespielt hatte, warum sie den Prozess mitverfolgt und Wickham unablässig in die Augen gesehen hatte, als würde sie ihm Kraft und Mut senden.
    Er riss sich von Alveston los und zwängte sich zur Tür durch, die gegen eine vor dem Saal

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