Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)
haben. Wahrscheinlich hat nicht er, sondern sie den Griff des Schürhakens abgewischt und das Taschentuch verbrannt. Doch auch Sie sind sicherlich der Meinung, dass es der Gerechtigkeit nicht dienlich wäre, diese Vermutungen öffentlich zu machen. Es gibt keine Beweise, und es wird sie nie geben. Wir sollten uns lieber über die königliche Begnadigung und darüber freuen, dass Wickham, der die Tortur bemerkenswert tapfer durchgestanden hat, nun ein hoffentlich erfolgreicheres Leben beginnen kann.«
Fast wortlos nahmen sie ein frühes Abendessen ein. Darcy hatte erwartet, dass die Erleichterung über Wickhams abgewendete Hinrichtung alle anderen Ängste weniger bedeutend erscheinen lassen würde; stattdessen begannen ihn jetzt, da die größte Sorge beseitigt war, kleinere Sorgen zu beschäftigen. Was würden sie von Wickham zu hören bekommen, wenn er bei ihnen eintraf? Wie sollten er, Darcy, und Elizabeth der grauenhaften Neugier der Leute entkommen, während sie bei den Gardiners wohnten, und welche Rolle hatte – wenn überhaupt – der Colonel in der ganzen mysteriösen Angelegenheit gespielt? Darcy konnte es kaum erwarten, nach Pemberley zurückzukehren. Ihn quälte eine von ihm selbst als unsinnig erkannte Ahnung, es könnte dort nicht alles zum Besten stehen. Auch Elizabeth hatte seit Monaten kaum mehr richtig geschlafen, und dieses Gefühl drohenden Unheils, das sie ebenfalls empfand, lastete er zu einem großen Teil der erdrückenden geistigen und körperlichen Müdigkeit an, unter der sie beide litten. Auch die übrigen Anwesenden schien das schlechte Gewissen zu plagen, weil sie Wickhams allem Anschein nach geradezu wunderbare Errettung nicht angemessen zu feiern vermochten. Mr. und Mrs. Gardiner waren rührend bemüht, doch das köstliche Essen blieb nahezu unangetastet, und schon bald nachdem der letzte Gang serviert war, gingen die Gäste zu Bett.
Beim Frühstück herrschte wesentlich bessere Stimmung. In der ersten Nacht ohne grässliche Traumbilder hatten alle Ruhe und tiefen Schlaf gefunden und schienen dem, was der Tag bringen würde, besser gewachsen zu sein. Der Colonel war in London geblieben und tauchte am Vormittag in der Gracechurch Street auf. Nachdem er Mr. und Mrs. Gardiner begrüßt hatte, sagte er: »Ich habe einiges über meinen Part in der ganzen Sache zu erzählen, Darcy – Dinge, die ich nunmehr bedenkenlos offenbaren kann. Du hast das Recht, es zu hören, ehe Wickham eintrifft. Ich würde es gern unter vier Augen berichten, aber du kannst es, wenn du willst, gern Mrs. Darcy erzählen.«
Er erklärte Mrs. Gardiner, warum er gekommen war. Sie bot den beiden Männern ihr Wohnzimmer an, den komfortabelsten und ruhigsten Raum im Haus, den sie in kluger Vorausschau für die Zusammenkunft hatte herrichten lassen, die am nächsten Tag nach dem Eintreffen von Alveston und Wickham erfolgen sollte und sicherlich für alle Beteiligten schwierig sein würde.
Darcy und Fitzwilliam setzten sich. Der Colonel beugte sich auf seinem Stuhl vor. »Es ist mir wichtig, als Erster zu reden, damit du meine Geschichte auf dem Hintergrund von Wickhams Geschichte beurteilen kannst. Wir haben beide keinen Grund, stolz auf uns zu sein, aber ich tat die ganze Zeit hindurch mein Bestes und gestehe ihm zu, dass er es genauso gehalten hat. Ich will mein Verhalten in dieser Angelegenheit nicht rechtfertigen, sondern nur erklären, und versuche, mich kurzzufassen.
Ende November 1802 erhielt ich in meinem Londoner Haus, in dem ich mich damals gerade aufhielt, einen Brief von Wickham. Er teilte in knappen Worten mit, dass er in Schwierigkeiten sei und für eine Unterredung mit mir dankbar wäre, von der er sich Rat und Hilfe verspreche. Ich hatte keinerlei Verlangen danach, in die Sache verwickelt zu werden, war ihm jedoch in einem Maße verpflichtet, das eine Missachtung seines Wunsches nicht zuließ. Er hatte während des irischen Aufstands einem schwer verwundeten jungen Captain, der meinem Kommando unterstand und mein Patensohn war, das Leben gerettet. Rupert starb wenig später an seinen Verwundungen, doch aufgrund seiner Bergung konnten wir, seine Mutter und ich, Abschied von ihm nehmen und ihm einen ruhigen Tod bereiten. Als Mann von Ehre konnte ich eine solche Tat niemals vergessen, und so stimmte ich einem Gespräch mit Wickham zu.
Die Geschichte ist nicht neu, und sie ist schnell erzählt. Wie du weißt, wurde seine Frau, nicht aber er selbst, regelmäßig in Highmarten empfangen. Bei diesen
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