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Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)

Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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gebracht.
    Mehrere geknickte, herabhängende Strauchzweige und Vertiefungen im Weg, die man für Fußabdrücke halten konnte, gaben ihnen die Hoffnung, auf der richtigen Spur zu sein, doch fünf Minuten später lichteten sich Bäume und Gestrüpp, ihre Rufe blieben unerwidert, und sie machten halt, um über das weitere Vorgehen zu beratschlagen. Aus Furcht, sich zu verlieren, falls einer von ihnen vom Weg abkam, waren sie dicht beieinander geblieben und hatten sich westlich gehalten. Jetzt beschlossen sie, nach Osten zu schwenken und Richtung Pemberley zur Kutsche zurückzugehen. Drei Männer konnten unmöglich den ganzen riesigen Wald durchstreifen; sollte die Richtungsänderung nichts erbringen, wollten sie zum Haus zurückgehen und, falls Wickham und Denny auch nach Tagesanbruch nicht wieder aufgetaucht waren, mit Unterstützung von Landarbeitern und vielleicht auch der Polizei eine gründlichere Suche durchführen.
    Sie trotteten weiter. Plötzlich wurde die Mauer aus Strauchwerk durchlässiger, und sie erblickten eine mondbeschienene, von schlanken Birken gesäumte Lichtung. Mit neuer Kraft stürmten sie darauf zu, brachen durchs Unterholz, froh, dem Gefängnis aus wirrem Gestrüpp und dicken, starren Baumstämmen in die Freiheit und Helligkeit zu entkommen. Dort gab es keine überhängenden Äste, und das Mondlicht, das die zarten Stämme silbrig glänzen ließ, verlieh dem Ort eine solche Schönheit, dass er mehr einem Trugbild als der Wirklichkeit glich.
    Sie hatten die Lichtung erreicht. Langsam, fast ehrfürchtig traten sie zwischen zwei dünnen Stämmen hindurch und blieben, sprachlos vor Entsetzen und wie gelähmt, stehen. Ihnen bot sich ein Bild des Todes, dessen grelle Farben in starkem Kontrast zum gedämpften Licht standen. Keiner sprach ein Wort. Mit erhobenen Laternen gingen sie im Gleichschritt langsam darauf zu. Die starken Strahlen, viel heller als das sanfte Mondlicht, vertieften noch das kräftige Rot einer Offiziersjacke und den Ausdruck des Wahnsinns, der aus den auf sie gerichteten Augen in einem grässlich blutverschmierten Gesicht sprach.
    Captain Denny lag auf dem Rücken. Sein rechtes Auge war blutverkrustet, das linke mit glasig-leerem Blick auf den fernen Mond geheftet. Wickham kniete neben der Leiche. Seine Hände waren rot gefärbt, sein Gesicht glich einer blutbespritzten Maske. Seine Stimme klang heiser und kehlig, doch seine Worte waren klar zu verstehen. »Er ist tot! O Gott, Denny ist tot! Er war mein Freund, mein einziger Freund, und ich habe ihn getötet! Ich habe ihn getötet – es ist meine Schuld!«
    Noch ehe sie ihn ansprechen konnten, sackte er vornüber und begann so heftig zu schluchzen, dass er kaum Luft bekam. Schließlich fiel er auf Dennys Leiche, und die blutüberströmten Gesichter berührten einander fast.
    Der Colonel beugte sich zu Wickham hinunter, richtete sich wieder auf und sagte: »Er ist betrunken.«
    »Und Denny?«, fragte Darcy.
    »Tot. Nein, fass ihn besser nicht an. Ich erkenne es, wenn einer tot ist. Wir legen die Leiche auf die Trage, ich helfe dir. Alveston, Sie dürften der Kräftigste von uns sein – können Sie Wickham zur Kutsche zurückführen?«
    »Ich denke schon, Sir. Er ist ja nicht schwer.«
    Schweigend hoben Darcy und der Colonel Dennys Leiche auf die Segeltuchtrage. Dann zogen der Colonel und Alveston Wickham hoch, dessen keuchend hervorgestoßener Atem die Luft auf der Lichtung mit Whiskygestank verpestete. Nachdem es Alveston gelungen war, sich Wickhams rechten Arm um die Schulter zu legen, vermochte er als der Größere von beiden, den trägen Körper zu stützen und ein paar Schritte mit sich zu zerren.
    Der Colonel hatte sich noch einmal gebückt und etwas aufgehoben. Es war eine Pistole. Nachdem er an den Läufen gerochen hatte, sagte er: »Das ist wahrscheinlich die Waffe, aus der die Schüsse gefeuert wurden.« Darcy und er umfassten die Stangen der Trage, hoben sie mit einiger Anstrengung in die Höhe, und die traurige Prozession trat den beschwerlichen Rückweg zur Kutsche an. Die beiden Träger gingen voraus, der mit Wickham beladene Alveston folgte einige Schritte dahinter. Ihre eigenen Fußabdrücke waren so deutlich zu erkennen, dass es nicht schwerfiel, auf demselben Weg zurückzugehen, doch sie kamen nur langsam und mühsam voran. Darcy war trostlos zumute, während er hinter dem Colonel herging; so viele Sorgen und Ängste wirbelten ihm durch den Kopf, dass er keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Er hatte nie

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