Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)
Dienstboten noch nie etwas gehört hatten.
Mr. Bennets Anwesenheit wirkte sich auf alle so beruhigend aus, als wäre er ein freundliches, vertrautes Hausgespenst. Wenn Darcy Zeit hatte, unterhielt sich sein Schwiegervater gern mit ihm in der Bibliothek. Als seinerseits kluger Mensch wusste Darcy Gescheitheit bei anderen sehr zu schätzen. Hin und wieder besuchte Mr. Bennet seine älteste Tochter in Highmarten, wo er dafür Sorge trug, dass keines der Bücher in Bingleys Bibliothek dem Übereifer der Hausmädchen zum Opfer fiel; vor allem aber erstellte er eine Liste mit zu erwerbenden Publikationen. Insgesamt blieb er jedoch nur drei Wochen in Pemberley, da eines Tages ein Brief von Mrs. Bennet eintraf, in dem sie darüber klagte, dass sie Nacht für Nacht jemanden um das Haus schleichen höre und unter ständigem Herzklopfen, ja geradezu Herzflattern leide. Mr. Bennet müsse unverzüglich heimkommen und sie beschützen. Wie, fragte sie, sei es möglich, dass er sich um Morde an fremden Menschen kümmere, wenn in Longbourn bald einer geschehen werde, sofern er nicht auf der Stelle zurückkehre!
Er fehlte allen im Haus, und einmal hörte Darcy, wie Mrs. Reynolds zu Stoughton sagte: »Es ist schon merkwürdig, dass wir Mr. Bennet jetzt, nachdem er nicht mehr da ist, so sehr vermissen, obwohl wir ihn doch, als er da war, kaum zu Gesicht bekommen haben.«
Darcy und Elizabeth stürzten sich in die Arbeit, denn es gab viel zu tun. Darcy plante die Renovierung einiger Cottages auf dem Besitz und kümmerte sich mehr denn je um Angelegenheiten der Gemeinde. Der im Mai zuvor erklärte Krieg gegen Frankreich sorgte bereits für Armut und Unruhen; der Brotpreis war gestiegen, die Ernte schlecht ausgefallen. Weil Darcy sehr daran lag, seine Pächter zu entlasten, kamen täglich viele Kinder in die Küche und holten große Eimer mit dicker, nahrhafter Suppe ab, die fast so viel Fleisch wie ein Eintopf enthielt. Abendessen mit Gästen fanden kaum statt, und zu den wenigen, die abgehalten wurden, lud man nur enge Freunde ein. Allerdings kamen die Bingleys regelmäßig zu Besuch, um Darcy und Elizabeth aufzumuntern und zu unterstützen, und häufig trafen Briefe von Mr. und Mrs. Gardiner ein.
Nach der gerichtlichen Untersuchung hatte man Wickham nach Derby ins neue Gefängnis der Grafschaft verlegt, wo Mr. Bingley ihn weiterhin besuchte und, seinen Berichten zufolge, meist guten Mutes antraf. In der Woche vor Weihnachten erfuhren sie endlich, dass die beantragte Verlegung des Prozesses nach London genehmigt worden war und die Verhandlung im Strafgerichtshof Old Bailey stattfinden sollte. Elizabeth war fest entschlossen, ihren Mann dorthin zu begleiten, obwohl sie selbstverständlich nicht im Gerichtssaal anwesend sein würde. Mrs. Gardiner lud Darcy und Elizabeth herzlich ein, während ihres Aufenthalts bei ihr und ihrem Mann in der Gracechurch Street zu wohnen, und die Darcys sagten dankbar zu. Noch vor Silvester wurde George Wickham in das Londoner Gefängnis Coldbath Fields verbracht, woraufhin Mr. Gardiner die Aufgabe übernahm, ihn regelmäßig zu besuchen und ihm das von Darcy stammende Geld zu übergeben, mit dessen Hilfe er sich weiterhin Annehmlichkeiten verschaffen und sein Ansehen bei den Wärtern und Mithäftlingen sichern konnte. Mr. Gardiner berichtete, Wickham sei nach wie vor zuversichtlich und erhalte regelmäßig Besuch von Reverend Samuel Cornbinder, einem der Gefängnisseelsorger. Mr. Cornbinder, ein anerkannt guter Schachspieler, habe Wickham das Spiel beigebracht, und dieser beschäftige sich nun sehr viel damit. Mr. Gardiners Eindruck nach schätzte der Gefangene den Reverend mehr als Schachgegner denn als Bußprediger, war ihm aber offenbar ehrlich zugetan, und das Schachspielen, das er inzwischen fast mit Besessenheit betrieb, wirkte den gelegentlichen Anfällen von Wut und Verzweiflung entgegen.
Zu Weihnachten wurde das alljährliche Kinderfest abgehalten, zu dem alle Kinder auf dem Besitz eingeladen waren. Darcy und Elizabeth waren sich einig, dass man den Kleinen diese gewohnte Vergnügung gerade in schweren Zeiten nicht vorenthalten dürfe. Geschenke mussten von Elizabeth und Mrs. Reynolds besorgt und an die Pächter sowie an die gesamte Dienerschaft in und außerhalb von Pemberley House verteilt werden. Gleichzeitig versuchte sich Elizabeth abzulenken, indem sie anhand eines genau festgelegten Lektüreplans Bücher las und mit Georgianas Hilfe ihr Klavierspiel verbesserte. Da sie jetzt
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