Der Tod macht den letzten Schnitt
Cornish betrat die Szene, und danach war es kein Thema mehr. Alix,
die Bühnenmeisterin, trägt mir so was zu, weil ich über diese kleinen
Zündeleien Bescheid wissen muß, um sie rechtzeitig austreten zu können. Ich
ahnte nicht, wie ernst es diesmal war. Warum Jacinta sich dazu verstieg, mit
einem Messer zuzustechen, ist mir unerfindlich» — Ashley hob die
wohlgepolsterten Schultern — , «das herauszufinden ist Sache der Polizei, aber
es hat eins meiner kleinen Probleme gelöst.»
«Was für ein Problem?»
«Wissen Sie, es gibt zu viele
Serienoldies», sagte Ashley schlicht. «Von Zeit zu Zeit muß ausgedünnt werden,
um Platz für neue Gesichter zu haben. Immer eine heikle Sache. Man möchte
niemandem weh tun. Einmal haben sie in einer Seifenoper einen Reisebus mit der
halben Besetzung auf der Autobahn verunglücken lassen.»
«Warum können Sie nicht jemanden sagen
lassen, daß Schwester Williams wegen Mordes verhaftet worden ist?»
«Nicht sehr geschmackvoll, Herzchen.»
Ashley sah gequält aus. «Ich dachte eher an einen Abschiedsbrief, den Dr.
Watkins in seinem Spind findet — das gibt Ian die Chance zum Mienenspiel, was
er sagenhaft gut macht. Dann lassen wir ihn ans Telefon gehen — die andere
Stimme hört man nicht — , er fleht Schwester Williams an, um der Patienten
willen zurückzukommen.»
«Aber sie kommt nicht zurück.»
«Jedenfalls nicht für die nächsten
sieben Jahre oder so. Vielleicht läßt sie uns wissen, daß sie sich geopfert hat
und im staatlichen Gesundheitsdienst arbeitet. Guter Einfall. Erinnert die
Zuschauer an Jacinta im Gefängnis. Vielleicht schreiben die Fans ihr und
muntern sie auf. Wie gefällt Ihnen das?»
«Für mich ist dieser Mord für eine Frau
irgendwie zu gewalttätig...» Mr. Pringle konnte sich das Bild von dem Mord
nicht aus dem Kopf schlagen. «Und warum eine Verwandte aus Enttäuschung
umbringen? Ich kann das einfach nicht glauben.»
«Lizzie Borden hat es getan, zum
Beispiel. Vergessen Sie nicht, Herzchen, Jacinta ist ein kräftiges junges
Mädchen, und diese Chirurgen-Messer sind verdammt scharf. Wir haben sie aus
zweiter Hand von einer staatlichen Klinik gekauft, die im Zuge der
Kostensenkung dicht gemacht wurde. Wie auch immer, ich hätte Margarite nicht
nehmen dürfen.» Ashley seufzte. «Aber es war zu verlockend. Da steckte
Publicity drin. Wobei ich natürlich Zuschauerzahlen meinte.»
«Da, sehen Sie!» Mr. Pringle starrte
auf den Bildschirm hinter der Theke. «Da, ein Bild von Miss Pelouse. Mein Gott,
und da sind Sie!»
Ashley musterte sein Bild nüchtern.
«Profil von der falschen Seite... und ich muß dringend zum Friseur.» Er ordnete
die Locken, bestellte noch zwei Wein und wiederholte: «Ich hätte nie geglaubt,
daß Jacinta mal ausklinkt.»
«Vielleicht war sie es gar nicht.»
«Sie muß es gewesen sein. Sonst wäre es
ja einer der anderen.» Ashley wollte nicht daran denken. Morgens würden alle
wieder im Studio sein.
«Werden Sie der Polizei sagen, was Sie
mir über Miss Charles erzählt haben?»
«Erst wenn die Szenen mit ihr abgedreht
sind. Richard ist ein Schreibwunder, aber nicht mal er kann diese Folge zum
drittenmal ändern. Das Dumme ist nur, daß alle im Studio es wissen — ich kann
nur zu Gott hoffen, daß es keiner dem guten alten Sergeant auf die Nase bindet.»
«Auf meine Verschwiegenheit können Sie
sich verlassen», sagte Mr. Pringle feierlich. Ein drittes Glas stand vor ihm,
und er überlegte, ob er es noch leeren sollte. «Ich werde schweigen wie ein
Gr... ich werde nicht darüber reden.»
Winziges Wohnschlafzimmer in Covent
Garden
Die Maklerannonce hatte es als
Einzimmer-Appartement beschrieben. Jacinta Charles hatte ihr Hab und Gut auf
den Regalen und unter der Schlafcouch verstaut, damit aber wenig genug Platz
gewonnen. Simons gängiger Witz war immer, daß sich jeweils nur einer anziehen
könne. Simon! Trotz allem, was geschehen war, sehnte sie sich nach ihm. Seine
Stimme am Telefon klang ungewohnt wehleidig und machte sie noch nervöser.
«Aber du weißt, daß ich unschuldig bin,
warum also gehst du mir aus dem Weg?»
Hier murmelte der junge Kameramann
etwas unter der Plastikglocke in Tottenham Court Station ins Telefon.
«Ich versteh dich nicht!» rief sie
ungeduldig.
«Ich habe gesagt, daß wir vorsichtig
sein müssen. Bis der Sturm vorüber ist.»
«Mein Gott, sei doch nicht so naiv.
Wenn alle merken, wie du dich zurückziehst, bestätigt das doch nur ihre
schlimmsten
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