Der Tod macht den letzten Schnitt
ich erinnere mich an die Kritiken, das muß fünf, sechs Jahre her sein.
Es folgten kleinere Rollen, aber den Durchbruch schaffte sie nicht.
Offensichtlich hat sie gehofft, daß Margarite Pelouse ein bißchen nachhilft,
aber dann sah es so aus, als würde daraus nichts — bis sie plötzlich die
Krankenschwester Williams in Doctors and Nurses spielt.»
«Nicht gerade die Diretissima zum Ruhm,
oder?»
«Nein. Und wenn sie nicht sehr viel
Glück hat, ist sie mit der Serie aufs Rollenfach Krankenschwester festgelegt.
Nur wenige schaffen danach die Spitze. Meiner Meinung nach ist sie dafür
ohnehin nicht begabt genug. Wenn überhaupt, ist sie eine Erste Jugendliche,
aber in ihrem Alter mußt du langsam in die Kategorie Hauptdarstellerin
reinwachsen. Nur wenn sie tatsächlich mit der Pelouse verwandt gewesen ist und
Margarite Pelouse ihre Beziehungen hätte spielen lassen, hätte die Sache für
sie ganz anders aussehen können.»
«Und bei Rainbow Television würde das
jeder wissen?»
«Mit Sicherheit. The Stage wird
von allen Profis gelesen. Von Polizisten natürlich nicht.»
Er überging den kleinen Hieb und hörte
auch nicht hin, als Jean böse fortfuhr: «Du in einem Fernsehstudio! Und was
hätte ich dafür gegeben, für die Serie vorsprechen zu dürfen.» Die Tatsache,
daß Frank offenkundig nicht zuhörte, reizte sie noch mehr. «Ich kann mir sehr
gut vorstellen, daß ich in meinen Beruf zurückgehe, wenn Emma alt genug ist.»
«Mein Gott, rede doch keinen Unsinn.»
Das kam nach allem, was er an diesem Tag hinter sich hatte, irgendwie
automatisch, aber Newton wußte sofort, daß er das nicht hätte sagen dürfen.
Jean sah abgespannt aus. Ein Gin machte nicht zwei Stunden mit sechs Achtjährigen
wett, und an den Eßzimmerwänden klebte immer noch rote Grütze.
Und Jean brauste auf: «So kannst du
nicht mit mir reden! Immerhin habe ich meine Karriere aufgegeben, als ich dich
heiratete.» Diese Behauptung verschlug ihm die Sprache, aber Jeans Zorn
steigerte sich. «Das ist so ungerecht, so unfair. Du erlebst immer was
Tolles...»
«Ja, was Tolles!»
«...und ich sitze hier zu Hause wie
angeleimt.» Sie sprang auf. «Ich geh raus.» Sie lief in die Halle, schnappte
sich Mantel und Tasche und stürmte zur Haustür.
Newton war geistesgegenwärtig genug,
die Frage nach dem Abendessen zu verschlucken. Statt dessen fragte er
vorsichtig: «Wann bist du zurück?»
«Keine Ahnung.»
Die Haustür knallte ins Schloß. Von
oben dröhnte der neue Kassettenrecorder seiner Tochter. Er ging in die Küche,
aber da nicht erkennbar war, was gekocht werden sollte, riet er sich
abzuwarten. Wieder im Wohnzimmer, goß er sich noch einen Drink ein und
überlegte mit einigem Unbehagen, bei welcher Nachbarin Jean wohl heute ihr Herz
ausschüttete. Das Ritual war vorprogrammiert. Sie würde zurückkommen, und er
würde die Wogen glätten. Vielleicht hatte sie den schwachsinnigen Einfall
inzwischen vergessen. Wenn nicht mal diese Jacinta Charles den Weg zum Ruhm
schaffte, hatte seine Frau — dessen war er sich verdammt sicher — überhaupt
keine Chance.
Die Nachrichten auf Channel 4 brachten
als erstes ein Foto von Margarite Pelouse als Cleopatra aus den sechziger
Jahren. Das gebieterische, kantige Profil hob sich eindrucksvoll vom schwarzen
Samtvorhang ab. Newton schaltete den Ton erst nach dem Bildwechsel auf den
Nachrichtensprecher Peter Sisson ein, der ihn gnadenlos anstarrte.
«...die Meldung über die Mordtat wird
durch die offizielle Bekanntgabe ergänzt, daß die Aufklärungsrate bei
Schwerverbrechen in der Stadt London unter dreißig Prozent liegt...» Frank
Newton schleuderte die Fernbedienung in die Sofaecke.
Weinstube in Soho
Der Abgang aus dem Studio hatte Mr.
Pringles Weltbild ins Wanken gebracht. Er hatte fest geglaubt, daß sie sich
unauffällig an den Pressefotografen vorbeidrücken würden, statt dessen setzte
Ashley eine dunkle Brille auf, schlug den nachtblauen Waschbärkragen seines
Mantels hoch und baute sich auf der obersten Treppenstufe auf. Er posierte so
lange, bis auch das letzte Blitzlicht im strömenden Regen erloschen war. Selbst
leicht angefeuchtet, trank Mr. Pringle jetzt ein zweites Glas sauren Rotweins
und lauschte gespannt den Erläuterungen seines temporären Arbeitgebers.
«Gleich als ich Jacinta sagte, daß
Margarite als Ersatz entspringen würde, wußte ich, daß es Ärger geben würde,
ich sah es ihrem Gesicht an. Gestern hat es wohl ein bißchen Streit gegeben,
aber Jason
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