Der Tod macht den letzten Schnitt
bemüht, nicht vergnügt auszusehen. Mullin, der Jason Cornish ein
letztesmal in die Mangel genommen hatte, sah ihn mit Bedauern gehen. Hätte er
das Sagen gehabt, wäre Cornish zur weiteren Vernehmung aufs Revier mitgenommen
worden, aber von Newton auf den Punkt befragt, mußte er zugeben, daß nach
Beweisläge Cornish der letzte wäre, der sich die Pelouse tot gewünscht hätte.
Im schäbigen Schlafzimmer in Hendon
starrte der Mann gegen die Zimmerdecke und flüsterte den Namen seiner Tochter.
Im provisorischen Polizeibüro in der
Requisite wurden Aussagen verglichen und Listen verfertigt, die auf dem Revier
an die Registratur zur Auswertung und Analyse weitergegeben werden sollten. Die
Vernehmung der Zeugen wollte Newton im Polizeirevier fortsetzen, allen voran
die der zwei Techniker und des Schauspielers, die nach der Mittagspause nicht
ins Studio zurückgekehrt waren.
«Zweifellos haben alle drei gute Gründe
dafür», sagte Newton, schon im Aufbruch, zu Fallowfield in dessen Büro, «aber
die interessieren uns auch.»
«Mit Sicherheit. Und Sie sagten, wir
können weiterdrehen?»
«Außer in der Notaufnahme, Mr.
Fallowfield.»
«Großartig, die brauchten wir nach der
Szene mit Margarite sowieso nicht mehr. Wissen Sie übrigens schon, wer sie
umgebracht hat?»
«Nein, Sir. Polizisten sind selten mit
dem sechsten Sinn gesegnet. Ich, beispielsweise, versuche schlicht und einfach,
das Motiv für den Mord zu finden.»
«Ob jemand sie vielleicht wegen ihrer
idiotischen Scherze so gehaßt hat?» erwog Ashley schmucklos. «Wissen Sie, was
sie mit mir gemacht hat, als wir vor Jahren eine Wohltätigkeitsmatinee in Drury
Lane gaben? Margarite hatte meine Schuhe an den Fußboden geklebt. Und als ich
im Scheinwerferlicht posierte, um meine Fred Astaire-Nummer abzuziehen, und den
Fuß heben wollte, knallte ich der Länge nach hin. Da hätte ich sie kaltblütig
umbringen können.»
«Gingen ihre Späße immer auf Kosten
anderer?»
«Meistens ja. — Sie waren zu zynisch,
um witzig zu sein, aber wir haben alle gelacht — wir hatten Angst vor ihr. Sie
hatte damals, als sie mit Alfred Barker verheiratet war, großen Einfluß.»
«Ich verstehe. Haben Sie vielen Dank,
Sir. Wir sehen uns morgen. Gute Nacht.»
Ashley wartete, bis die Schritte
verhallt waren.
«Natürlich wissen wir, wer es war. Bis
die es rausgefunden haben, sind ihre Szenen im Kasten.»
Mr. Pringle staunte. «Sie — wissen es?»
Ashley nickte. «Jacinta Charles. Muß es
gewesen sein. Wenn er über die ganze Geschichte Bescheid wüßte, hätte er sie
schon längst festgenommen. Aber vergessen Sie, was ich gesagt habe, O. K.? Sie
sind zu ehrlich. Ein Blick in Ihr Gesicht, und er weiß, daß Sie auf einem Geheimnis
sitzen.»
Als Ashley sah, wie gekränkt Mr.
Pringle war, fügte er hinzu: «Verstehen Sie doch, Herzchen, wie sind fünfzig
Seiten im Verzug, von dem umgeschriebenen Text gar nicht geredet. Wir können
uns keine Ausfälle mehr leisten.» Er sah auf seine Uhr. «Kommen Sie, bei dem
Scheißwetter sollten wir auf einen Drink ins Gaucho gehen, und ich
erzähle Ihnen die ganze Geschichte.»
3
Empfindlichkeiten
Wohnzimmer der Newtons. Früher
Montagabend
Es war einmal ein sehr elegantes
Wohnzimmer gewesen, das aber der Ankunft eines kleinen Mädchens nicht
standgehalten hatte. Heute sah es besonders mitgenommen aus: Neu hinzugekommene
Fingerabdrücke an den Wänden, auf dem Boden jede Mänge Spielzeug verteilt — Newton
bückte sich und sammelte es ein. Jean lehnte mit schmerzendem Rücken im
Türrahmen und beobachtete ihn.
«Du hast gewußt, daß sie heute
nachmittag ihren Geburtstag feiert...»
«Mein Gott, Jean», unterbrach er sie
müde, «ich kann die Ermittlungen in einem Mordfall zeitlich nun mal nicht in
die gesellschaftlichen Verpflichtungen einer Achtjährigen einpassen. Ich habe
versprochen, es zu versuchen, aber es hat nicht geklappt. Das müßtest du doch
inzwischen kennen.» Er schaltete das Fernsehen ein.
«Zu früh für Nachrichten.»
«Ich muß Doctors and Nurses sehen. Sag mal, braucht die Küche dich, oder kannst du hierbleiben und mir ein
bißchen auf die Sprünge helfen?»
Jede Stufe seiner Karriere als
Polizeibeamter war sorgfältig geplant gewesen — nur hatte er die falsche Frau
geheiratet. Nicht daß irgendwer geahnt hätte, warum er zweimal seine
Beförderung verpaßt hatte, am wenigsten Jean, aber beide Male durchlebte sie
eine ihrer seelischen Krisen. Anders als Mullin hielt
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