Der Tod macht den letzten Schnitt
Newton mehr davon, solche
Probleme für sich zu behalten. Er hielt auch nichts von der Höflichkeit, seine Karriere
durch die Bitte um Versetzung zu beschleunigen. Und wenn das hieß, daß er nie
den Chief Inspector schaffte, dann hieße es das eben. Beim Superintendent
hoffte er auf die Gunst der Götter, das war wohl nicht zuviel verlangt.
Vor ihrer Heirat hatte Jean sich mühsam
als junge Schauspielerin durchgeschlagen. Mit den großen Augen im schmalen,
ausdrucksvollen Gesicht hatte sie sich ihren Lebensunterhalt als Fotomodell und
mit gelegentlichen Auftritten in Werbespots verdient – aber das war’s auch
gewesen. Schlimmer war, daß sie fünfzehn Jahre jünger als ihr Mann war. Jeden
Tag erinnerten gereizte Wortwechsel ihn an den Altersunterschied, aber er
brauchte Jean nur anzusehen, um zu wissen, warum er so töricht gewesen war: Er
hatte Jean trotz ihres launischen Naturells geliebt. Und er liebte sie nach
neun Ehejahren noch immer über alles.
Sie sah ungeduldig zu, wie er das
Spielzeug wegräumte, ehe er für sie beide einen Drink eingoß. Auf dem
Bildschirm schrie die Werbung eine stumme Botschaft.
«Wie helfen? Und was hat Mord überhaupt
mit Seifenoper zu tun?»
«Hast du mal von Margarite Pelouse
gehört?»
Jean lachte und nahm ihren Gin.
«Wer hätte nicht! Danke. Eine der
großen alten Damen des englischen Theaters. Obwohl sie nie zur Dame geadelt
wurde, fällt mir gerade ein.»
«Und jetzt ist es zu spät. Irgendwer
hat sie heute morgen erstochen.»
«Du lieber Gott! Wie kann jemand so was
tun?»
«Das wüßten wir auch gern.»
Jean hatte ihre gute Laune wieder. «Und
warum mußt du das Stück ansehen?»
«Sie hatte eine Patientin zu spielen.
Kleine Rolle.»
«Aha, der ,
damit ködern sie die Zuschauer. Daß Margarite Pelouse sich darauf eingelassen
hat! Die Gage kann es nicht gewesen sein. Und dann passiert so was! Aber mich
brauchst du gar nicht zu fragen. Ich habe mich nie in solch illustren Kreisen
bewegt.»
«Ich habe heute nachmittag mit ihrem
letzten Agenten gesprochen, um mir ein Bild von ihr zu machen. Er beschränkte
sich auf das, was bereits öffentlich bekannt war. Aber da sie ihre Agenten
offenbar so oft wie ihre Ehemänner wechselte, hat er vielleicht wirklich nicht
viel mehr gewußt. Offenbar ist sie eine geborene... Moment» — er stöberte in
seinem Gedächtnis — «Margarita Erika Friedberg, meine ich, Geburtsdatum und — ort
unbekannt. Er glaubt, sie sei britische Staatsbürgerin geworden, als sie ihren
ersten Mann heiratete. Das ist bis jetzt alles, was wir herausgefunden haben.
Wir müssen morgen noch mit ihrem früheren Agenten sprechen.»
«Ich habe immer angenommen, sie sei
Tschechin oder Ungarin.»
«Da könntest du recht haben. Sie hat
sich irgendwann scheiden lassen und den Impresario Alfred Barker geheiratet. Er
hat ihren Namen geändert und sie zu einem Star gemacht. Mehr ist nicht
bekannt.»
Der Vorspann von Doctors and Nurses lief über den Bildschirm. Newton setzte sich mit der Fernbedienung neben seine
Frau aufs Sofa.
«Jeder wußte von ihrer Ehe mit Barker
und daß er aus ihr einen Star gemacht hat.» Jean hob die Stimme über die
schmalzigen Akkorde. «Sie war eine großartige Schauspielerin, aber sie hatte
auch den Ruf, als Kollegin eine Plage Gottes zu sein.» Als Frank nickte,
überlegte sie laut: «Wie alt sie wohl war?»
«Darüber gibt sicher die Obduktion
Aufschluß.»
«Scheußlich.»
«Weißt du was über die reguläre
Besetzung in der Serie?»
Jean dachte nach. «Das da ist Ian Walsh.
Er spielt einen der Ärzte. Eine Art Hausmann plus Anästhesist — sagenhaft, wie
flexibel Ärzte in Seifenopern sind. Er hat übrigens in Coronation Street mitgespielt.»
«Aha.»
Eine schwarze Krankenschwester lief
stumm durchs Bild. «Die kenne ich nicht», sagte Jean.
«Größe sechsunddreißig!»
Newton lachte über ihr verblüfftes
Gesicht. «Was ist mit der Schwester, die jetzt kommt?»
«Jacinta Charles oder auch Schwester
Williams» — Jean Newton schaute genauer hin — , «Jacinta Charles, natürlich! Es
stand in The Stage.»
«Was?»
«Jacinta Charles hat behauptet, ihre
Mutter sei mit Margarite Pelouse verwandt, irgendeine angeheiratete Kusine,
glaube ich.»
«Warum ist mir das nicht gesagt
worden.» Newton war ungehalten. «Der Agent hat kein Wort davon gesagt. Weißt du
sonst noch was?»
«Jacinta Charles hat die
Schauspielschule besucht und im letzten Semester als Viola einen starken Erfolg
gehabt —
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