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Der Tod macht den letzten Schnitt

Der Tod macht den letzten Schnitt

Titel: Der Tod macht den letzten Schnitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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den perfekten englischen Landedelmann, von dem die Werbung
träumte — weißhaarig mit rosigem Teint, schlank und hochgewachsen, in Tweed und
Weste. Melissa mit ihrer selbstverständlichen Eleganz paßte perfekt zum
verschossenen Chintz. Frank Newton fragte sich, ob die beiden je woanders als
in London gelebt hatten.
    «Ich bedaure außerordentlich, daß ich
Ihnen nicht weiterhelfen kann, Inspector» — Willie klang eher erleichtert als
betroffen — , «ich fuhr heute früh aus York fort und bin vor einer halben
Stunde hier eingetroffen. Erst da hörte ich von Mel, daß Sie mich sprechen
wollten.» Aus Gewohnheit fuhr er sich mit einer Hand über das weiße Haar, in
der Geste, die einstmals volle Theatersäle entzückt hatte.
    «Sie hatten Montag am Theater in York
Vorstellung, richtig?»
    «Nicht ganz.» Willie zögerte. «Wir
hatten vorige Woche Premiere in York. Ursprünglich waren eine Woche in
Liverpool und anschließend zehn Tage in York vorgesehen. Aber die Kritiken in
beiden Städten waren vernichtend, und die Sonntagszeitungen gaben uns den Rest:
das Signal für das Management, die Tournee abzublasen. Ich bin überzeugt, daß
das verfrüht war — in der Provinz kannst du mit einem loyalen Stammpublikum
rechnen, aber, wissen Sie, wer kann schon mit Geldgebern rechnen.»
    «Um das zu präzisieren, Mr. Henderson:
Sie waren insgesamt drei Wochen unterwegs. Sie haben die ganze letzte Woche in
York gespielt, bis einschließlich Samstag abend, ist das richtig?»
    «Ja. Obwohl wir natürlich Samstag noch
nicht wußten, daß es die letzte Vorstellung sein würde. Wir glaubten, wir
würden noch bis Mittwoch dieser Woche spielen und heute nach London
zurückfahren.»
    «Wann fiel die Entscheidung, die
Tournee abzubrechen?»
    «Montag morgen.»
    «In York?»
    «Nicht nur in York. Es wurde
telefonisch verhandelt: ein Finanzier aus York, zwei aus London und wir. Mel
und ich haben unsere Ersparnisse investiert...» Er blickte kurz zu ihr hin.
«Ich weiß nicht, ob ich Ihnen das hätte sagen sollen.»
    «Wir hätten es ohnehin erfahren, Sir,
irgendwann.»
    «Ja, vermutlich.» Willie Hendersons
Offenherzigkeit war echt. «Die Marschroute ist, daß ich Ihnen alles sage, auch
wenn ich es für irrelevant halte?»
    «Genau, Sir. Und waren Sie in York, als
die Entscheidung fiel?»
    «Ja.»
    «Im Theater?»
    «Nein, ich wohnte bei Freunden. Ich
rief Montag früh im Theater an und erfuhr es.»
    «Würden Sie uns Namen und Adresse Ihrer
Freunde geben?»
    Er sah überrascht aus. «Ja, gewiß.» Er
diktierte es Mullin.
    «Ihre Freunde können bestätigen, daß
Sie in deren Haus waren und von dort telefoniert haben, Sir?» fragte Newton.
    «Nein, das können sie nicht. Beide
arbeiten, und die Kinder waren in der Schule. Ich war allein im Haus.»
    «Aber der Anruf wird gespeichert sein,
genauso wie das anschließende Gespräch mit Ashley Fallowfield.»
    «Um ehrlich zu sein... ich benutzte das
Telefonhäuschen von der Post. Ich hatte Briefmarken kaufen wollen.»
    «Und der zweite Anruf, Sir?»
    «Das gleiche. Mit einem der Fahrräder
sind es fünf Minuten bis zur Post im Dorf. Fallowfield war ein Ferngespräch,
und ich wollte ihre Gastfreundschaft nicht strapazieren.»
    «Also in beiden Fällen kein Beleg.»
    «Tut mir schrecklich leid, Inspector.»
    Das klang plausibel, aber für Newtons
Geschmack zu glatt. Seiner Taktik entsprechend wechselte er unvermittelt das
Thema. «Sie haben schon von Ihrer Erbschaft gehört, nehme ich an.»
    «Habe ich!» Henderson lachte in sich
hinein. «Und ich bin sicher, daß das das letzte war, was Margarite beabsichtigt
hat. Für uns natürlich ein sagenhaftes Glück, daß sie kein neues Testament
gemacht hat.»
    Newton fiel jetzt die sorgfältig
kaschierte Bedürftigkeit noch mehr auf. «Haben Sie eine Ahnung, wieviel Sie...?»
    «Erben werden? Nein. Hauptsächlich das
Haus, schätze ich. Die Einrichtung ist sicher nicht viel wert. Und wenn ich
mich recht erinnere, verfällt Margarites Einkommen aus Geldanlagen mit ihrem
Tod. Das hat Barker so geregelt. Was Mel und mich angeht — wir sind für jeden
Penny dankbar. Wir haben zuviel Geld in dieses Theaterstück gesteckt. Ich
verstehe immer noch nicht, wieso es ein Reinfall wurde. 1954 war es ein
Riesenerfolg!» Und Willie furchte nachdenklich die Stirn. Ganz offenbar
beschäftigten ihn die Gründe für die Theaterpleite mehr als der Gedanke an ein
möglicherweise erforderliches Alibi.
    Newton kam zur entscheidenden Frage.
«Wo waren Sie zwischen

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