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Der Tod macht den letzten Schnitt

Der Tod macht den letzten Schnitt

Titel: Der Tod macht den letzten Schnitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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eins,
ab — und da haben Sie die Anfangseinstellung von Kamera Zwei: ein Pfleger kommt
auf uns zu und schiebt die Trage. Schnitt zur Totalen... hier halten wir kurz
an.» Pat stoppte das Band und sah Newton erwartungsvoll an. «Na, was sehen
Sie?» Sie redete mit ihm, als sei er fünf Jahre alt und sie eine
Vorschullehrerin.
    «Den Pfleger da, der seine Trage
schiebt», antwortete er artig.
    «Vergessen Sie ihn für den Augenblick.
Sie konzentrieren sich auf ihn, weil der Schnitt zwischen den beiden
Aufzeichnungen durch sein Fehlverhalten auffällt. Wen sehen Sie im
Hintergrund?»
    «Hinter den Statisten den zweiten
Pfleger, der sich anschickt, quer durchs Bild zu gehen.»
    Bertie Bowman alias G. S. Beaumont
bekommt das Alibi, an dem nicht zu rütteln ist. Er hätte seine Ex-Frau nicht
fünfzehn Meter entfernt in der Notaufnahme-Dekoration erstechen können. Newtons
Enttäuschung hatte ihren Tiefpunkt erreicht. Pat indes war so sichtlich erfreut
über seine Antwort, daß er schon damit rechnete, einen dicken roten Apfel
geschenkt zu bekommen.
    «Was fällt Ihnen an diesem Pfleger auf,
Inspector?»
    «Nichts. Wir wissen doch, daß es Bowman
ist, Miss Fagan.»
    «Das ist der erste wichtige Punkt, der
allen entgangen ist. Sehen Sie, was als nächstes geschieht.» Sie ließ die Szene
in Zeitlupe weiterlaufen. Der Pfleger prallte wieder gegen die Wand. Genau beim
Anprall hielt Pat das Band zum zweitenmal an. «Das wäre nie passiert, wenn der
richtige Mann die Trage geschoben hätte.»
    «Und das bedeutet was?»
    «Bertie hätte das tun müssen, weil er
fast als Kleindarsteller und nicht bloß als Statist beschäftigt wird. Der
Statist hatte das nie zuvor gemacht. So, und nun die Wiederholung der Szene.»
    Schweigend sahen sie zu, wie die
Echtzeit-Uhr verschwand und durch eine Totale ersetzt wurde. Als der Schnitt
kam und der Pfleger erneut auf sie zufuhr, rief Jean Newton erstaunt aus: «Er
fehlt. Der Mann, der im Hintergrund durchs Bild lief, fehlt, er ist diesmal nicht
zu sehen.»
    Newton hätte am liebsten laut gejubelt,
das schreckliche, herrische Mädchen umarmt, ihr Champagner gekauft — aber ihre
Erklärung verwirrte ihn erneut.
    «Bedauerlicherweise werden wir nie
wissen, was er gesehen hat», sagte Pat und bediente die Rücklauftaste. Newton
begriff nicht. «Bertie wußte offensichtlich nichts von der zweiten Aufzeichnung
der Szene, er muß fortgelaufen und als erster im Fundus gewesen sein. Er hat
wahrscheinlich gesehen, wer den Kittel in den Wäschebehälter gestopft hat.»
    Newtons Hirn arbeitete wieder präzise.
Er wußte, warum Pat vermied, ihn anzusehen. «Sehr wahrscheinlich», erwiderte
er. Er half beim Zurückspulen des Bandes, zahlte für die Gemüseburger und
begleitete sie zum Auto. Wobei ihm auffiel, daß sie sich vor Jean entschlossen
fröhlich gab.
    Draußen sagte er zu ihr: «Meine Frau
ist daran gewöhnt, die trüberen Seiten meiner Arbeit zu hören.»
    «Sie haben keinen Beweis dafür, daß es
Bertie war», beharrte Pat ritterlich. «Ich habe den Cutter gebeten, von beiden
Aufzeichnungen eine Kopie zu ziehen.»
    «Vielen Dank.»
    «Er war ein so liebenswerter alter
Mann... stets höflich. Ich kann immer noch nicht glauben... ich meine, warum...
was für Verbindungen gibt es da?»
    «Überlassen Sie uns, das
herauszufinden, Miss Fagan.»
    Sie schaffte es ein letztesmal, ihn zu
brüskieren. «Wenigstens habe ich Sie davor bewahrt, den Falschen zu verhaften.
Ian und Jacinta würden vielleicht jetzt schon im Knast schmoren.»
    «Wir machen nicht nur Fehler, Miss
Fagan.»
    «Erzählen Sie das anderen! Ich habe in
der Dokumentation gearbeitet. Also ciao. Ich schätze, ich sollte mich noch
dafür bedanken, daß Sie uns zu einem Supper verholfen haben.»
    Er sah zu, wie sie ihren alten Mini aus
dem Parkplatz boxte, und kehrte ins Restaurant zurück.
    «War er es?» fragte Jean.
    «Augenscheinlich ja.»
    «Und warum?»
    «Er war ihr erster Mann. Er war
verzweifelt — sie hat ihm Geld gegeben. Was danach geschehen ist, weiß ich
nicht, vielleicht hat sie ihn einmal zuviel geschmäht. Mit Sicherheit hatte sie
die Trümpfe dafür in der Hand. Vielleicht hat sie ihm damit gedroht, seine
Vergangenheit und seine Armut der Presse preiszugeben — der arme alte Teufel
hatte noch seinen Stolz. Ich glaube auch, daß er sie immer noch geliebt hat,
was alles nur schlimmer machte. Ganz werden wir die Hintergründe wohl nie
aufklären.»
    Jean erschauerte. «Wie traurig.»
    «Komm, vergessen wir das, Liebling.

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