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Der Tod macht Schule: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)

Der Tod macht Schule: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)

Titel: Der Tod macht Schule: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Faber
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weggekommen sind. Ich, der ich in Rudingshain aufgewachsen bin, das so winzig ist, dass selbst Google Maps es manchmal übersieht, bin so etwas wie ein Verräter, da ich nach Bad Salzhausen zog, einem Stadtteil Niddas, das wiederum offiziell zum Wetteraukreis zählt.
    Schotten darf von dem einen oder anderen nicht zuletzt wegen des mittelalterlichen Stadtkerns und diverser enger Gässchen als malerisch gepriesen werden. Zudem liegt die Stadt am Fuße des Mount Everests des Vogelsbergs, des Hoherodskopfs, der touristischen Topadresse schlechthin. Ob man allerdings in Schotten, wie die stadteigene Homepage tönt, «ganz schnell bei einem Stadtrundgang, Einkaufsbummel oder im Park mit netten Leuten ins Gespräch kommt», lasse ich mal dahingestellt. Der Fremde sollte eher den durchaus skeptischen Blicken der Einheimischen standhalten oder sie ignorieren können. Auch sollte man es aushalten können, wenn in Gaststätten vor Ort die Gespräche mit einem Schlag verstummen, wenn man es wagt, eine solche ohne Vorankündigung zu betreten. In Rudingshain ist es bis heute eine Attraktion, wenn ein Auto ohne Vogelsberger, Wetterauer oder Gießener Kennzeichen durch den Ort rauscht.
    Für mich ist Schotten Heimat. Was auch immer das sein mag. Ich habe Spaß an den alten Männern, die den ganzen Vormittag stumm mit einer Flasche Bier an Stehtischen vor Einkaufsmarktbäckereien stehen und die Wachsfiguren von Madame Tussaud imitieren. Ich liebe den rauen Wind der Gegend und den latenten Geruch von Kuhmist in der Luft.
    Ich mag den oberhessischen Dialekt, den ich aufgrund meiner hochdeutschen Eltern nie gelernt habe und bis heute nicht immer verstehe. Man sagt, der Norddeutsche sei eher unterkühlt und ruhig, der Ruhrpöttler laut und lebensfroh und der Bayer bodenständig und gemütlich. Der Oberhesse ist einfach oberhessisch, nicht mehr und nicht weniger. Und von dem Wenigen allerdings hat er richtig viel. Wie sagte der Gärtner meiner Eltern immer? «Wer iewes eabbes eass, eass ean Owerhess» – Wer ein bisschen etwas ist, ist ein Oberhesse. So soll es sein.

    Ich setze mich an diesem bedeckten schwülen Maimorgen in das sogenannte «Vulkan-Café» des «Zuckerbäckers» Haas, bestelle mir neben einem Cappuccino einen «Kirsch mit Streusel» zum Frühstück und warte auf Stefanie Assmann. Vielleicht kann sie mir mehr über Ellen Murnau erzählen, bevor ich diese in einer Stunde in der Gießener Augenklinik besuche.
    Die Schulpsychologin wirkt gehetzt, als sie das Café betritt. Ihre Oberlippe ist mit einem Hauch Schweiß benetzt und die Haare sind ein wenig vom Fahrradwind zerzaust. Ich begrüße sie freundlich per Handschlag, und wir kommen sehr schnell zur Sache. Sachlich, professionell und gefasst wirkt sie, als ich ihr ausführlich von den jüngsten Ereignissen berichte.
    Kurz bevor ich Fragen zu Dr. Ellen Murnau stellen möchte, klingelt mein Handy. Es ist Teichner.
    Er habe wichtige Neuigkeiten. Ich verlasse den Tisch, um mehr Ruhe zu haben, nicke Stefanie Assmann entschuldigend zu und stelle mich vor die Bäckerei. Schweigend lausche ich Teichner und schaue dabei auf adipöse Zwölfjährige, die sich Zigaretten anzünden.
    «O.k., alles klar», sage ich zu ihm, nachdem er mich ausführlich informiert hat. «Danke und tschüs.»
    «Tschüssinger!»
    Als ich zurück ins Café komme, sehe ich nun Stefanie telefonieren und Notizen machen. Wenig später beendet auch sie ihr Gespräch, blickt zu mir auf und sagt: «Mann, Eltern können solche Arschlöcher sein, das glaubt man kaum.»
    Ich stimme ihr zu und erzähle von Teichners Anruf, wohl wissend, dass ich eigentlich nichts über laufende Ermittlungen erzählen darf. Ich tue es aber trotzdem.
    «Bei uns im Revier hat sich eine Zeugin gemeldet», berichte ich, «die einen vermummten Jugendlichen mit Gewehr gesehen haben will.»
    Stefanie Assmann setzt die Kaffeetasse ab und verschüttet dabei einige Tropfen auf ihren hellen Rock. Sonst bin ich es ja immer, der etwas verschüttet, umstößt oder irgendwo dagegenrennt.
    «Es scheint also wieder unser Steinewerfer zu sein», füge ich hinzu. «Es ist schwierig, das Gewaltpotenzial einzuschätzen. Ein Dummer-Jungen-Streich ist das ja nicht mehr. Ein Schuss aus einer Softairwaffe kann aber auch nicht als Mordanschlag gewertet werden. Und dass er ein Auge getroffen hat, war vermutlich Zufall und nicht beabsichtigt.»
    Stefanie nickt. «Er nimmt aber das Risiko in Kauf, Ellen zu verletzen. Der Steinwurf letzte Woche hätte auch

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