Der Tod macht Schule: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
die Arbeit» zu seinem Schreibtisch zurücktrottet.
Ach, er hat’s auch nicht leicht, denke ich ihm nachblickend. Zu Recht.
Mit dem Haufen Pubertierender komme ich wie immer gut klar. Ich gehe da zu Hause seit drei Jahren durch eine harte Schule und bin somit im Training. Und jetzt muss die Büdinger Schulklasse Rollenspiele machen, bei denen sie lernen soll, dass, wenn sie in der Nachbarschaft einen Mann seine Frau verkloppen hört, sie ihr Spiel auf dem Handy gerne unterbrechen darf, um mit dem Gerät lieber etwas Sinnvolles zu tun. Zwischendurch werfe ich neckische Scherze ein, die ich vorher bei Melina ausprobiert habe. Wenn sie neutral guckt, weiß ich, dass andere Jugendliche darüber lachen könnten.
Danach gibt es einen Lehrfilm, wie man sich in einer U-Bahn vorbildlich verhält, wenn Mitbürger belästigt werden. Ich ignoriere die Tatsache, dass die meisten der Jugendlichen gar nicht wissen, was eine U-Bahn ist, da wir im Vogelsberg froh sein können, wenn zwei-, dreimal am Tag irgendwo ein Nahverkehrszug hält.
Am Ende führe ich sie noch durch die verschiedenen Räumlichkeiten der Alsfelder Polizeidirektion. Sehr spannend. Auch unser Büro wird besichtigt. Die Jungs kichern über Teichners T-Shirt. Als wir den Raum wieder verlassen, höre ich ihn tatsächlich, nachdem er ausgiebig die Popos der dreizehnjährigen Mädchen begutachtet hat, leise zu Markus flüstern:
«Lass die noch mal ein paar Jahre auf die Weide …»
Nach einer ausgedehnten Mittagspause stimme ich mich gerade mit unsinnigen Aufräumarbeiten auf meinem Schreibtisch so langsam auf den unverdienten Feierabend ein, da höre ich von weitem auf dem Gang schneidige Schritte auf unser Büro zukommen. Noch ehe ich die Füße vom Schreibtisch herunterbekomme, stehen drei ältere Herren vor mir. Der eine ist Kriminaloberrat Onkel Ludwig Körber, der Zweite ist mir unbekannt, und Nr. 3 ist unser Polizeipräsident a.D. Günther Bröhmann.
Der Blick meines Vaters wandert in rasantem Tempo durch unser Büro und bleibt an Teichners T-Shirt haften.
«Ist das heutzutage die Dienstkleidung eines Polizisten bei der Kripo Alsfeld?», fragt er mit tiefsitzender strenger Falte über der Nase, zeigt mit dem Finger auf den dicken Teichner und sieht mich dabei an.
«Hallo Papa, das ist ja eine Überraschung», wechsle ich das Thema und bemühe mich, meiner Stimmmelodie etwas Freudiges unterzumischen. Ich stehe auf und reiche ihm meine sofort schwitzig werdende Hand zur Begrüßung. Auch Körber und den unbekannten Dritten, der sich breit grinsend im Raum umschaut, begrüße ich per Handschlag.
«Vielleicht kann man mal hergehen und den Beamten der hiesigen Kriminalpolizei mitteilen, dass sie im Dienst neutrale Kleidung zu tragen haben», fährt mein Herr Vater fort.
Ich bin mir unsicher, ob er damit mich meint oder Kriminaloberrat Körber, der jahrzehntelang direkt meinem Vater unterstellt war und den er vor 39 Jahren zu meinem Patenonkel kürte. Mein Vater hat auch Jahre nach Eintritt in seine Pensionszeit noch nicht verstanden, dass er von diesem Zeitpunkt an hier eigentlich nichts mehr zu sagen hat. Er gilt nicht unbedingt als Meister des Loslassens. Legendär ist die polizeiliche Diensttelefonleitung, die er sich in sein Wohnhaus nach Rudingshain hat legen lassen. Er könnte es nicht ertragen, bei Telefonaten mit der Direktion als «externer» Anrufer zu gelten.
«Man sollte eigentlich wissen, dass man als Staatsdiener nicht herzugehen und Parolen auf dem Oberhemd zu tragen hat, sei es politische oder …»
«Na ja», unterbreche ich ihn, «die Mitteilung vom T-Shirt des Kollegen Teichner, dass Bier seinen wunderbaren Körper geformt habe, ist jetzt nicht unbedingt politisch.»
«Ich denke, man hat mich verstanden!», zischt der ewige Polizeipräsident.
Teichner murmelt eine unterdrückte Entschuldigung und versichert, dass dies nicht mehr vorkommen werde.
«Wenden Sie sich mit Ihrer Entschuldigung an Kriminaloberrat Körber. Ich habe in diesem Laden ja nichts mehr zu sagen. Das sollte man inzwischen mitbekommen haben, nicht wahr?», schnarrt mein Vater.
Der mir unbekannte halbglatzige Herr, dessen Frisur am Hinterkopf beginnt und dafür erst auf den Schultern endet, inspiziert derweil ein Bücherregal, auf dem lieblos ein paar Gesetzesbücher aneinandergereiht vor sich hin stauben.
Hilflos nehme ich den nächsten Anlauf, die Situation ein wenig auszulockern, und sage: «Wusste gar nicht, Papa, dass du heute in Alsfeld bist. Ist Mutter
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