Der Tod macht Schule: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
wütete. Stattdessen hockt ein gebrochener, stiller, in sich gekehrter Fünfzigjähriger mit grauem, dünnem Haar und traurigen, erschöpften, rot unterlaufenen Augen vor uns.
«Was würde ich alles dafür tun, das ungeschehen zu machen», flüstert er brüchig. «Scheiß Suff!»
Er nippt an seinem Wasserglas und starrt an uns vorbei auf irgendeinen Punkt an der Wand.
«Also noch mal», setzt Markus an, um das Geständnis, diesmal in nüchternem Zustand, abzuschließen. «Sie klingelten bei Ellen Murnau. Die ließ sie hinein, und was dann?»
«Ich wollte mit ihr reden. Doch ich Idiot war hackedicht. Ich wollte sie einfach dazu bringen, ihre Drohung fallenzulassen.»
«Die Drohung, dass sie Sie kündigt, sollten Sie sich nicht umgehend bei einem Entzug anmelden?», frage ich nach.
Munker nickt. «Wissen Sie, ich denke immer, ich kann jeden Moment aufhören. Oder dass man mir die Trinkerei nicht anmerkt. Und ich sage Ihnen was … die letzten Jahre habe ich die Schüler nur im Suff ertragen.»
«Wieso hatten Sie ein Messer dabei?», fragt Markus.
«Ach, ich war verzweifelt. Ich hatte einfach Schiss, dass ich den Job verliere. Obwohl ich ihn hasse. Mein Gott, nur noch acht Jahre, dann wäre ich in Frühpension gegangen. Das hätte ich doch auch noch irgendwie rumgekriegt. Ich wollte ihr wirklich nur drohen. Aus purer Verzweiflung. Ach, was weiß ich, was ich damit bezwecken wollte. Ich war voll. Ich habe komplett die Kontrolle verloren. Plötzlich steckte das Messer in ihrem Bauch. Wie es genau dazu kam, weiß ich nicht mehr, Filmriss!»
Munker bricht ab und verbirgt sein Gesicht hinter seinen Händen, ehe er mit etwas lauterer Stimme fortfährt:
«Die Schüler, die haben mich da reingetrieben, in die Sauferei. Ich wollte früher wirklich mal ein guter Lehrer sein, das können Sie mir glauben. Doch irgendwann habe ich festgestellt, selbst wenn ich mich noch so anstrenge, wenn ich mal mit einer wirklich guten Idee in den Unterricht kam, dann war denen das auch scheißegal. Da kannste machen, was du willst. Da stehst du Stunde für Stunde, Tag für Tag, Jahr für Jahr immer wieder vor dieser grausamen Meute, und die fressen dich. Mit allem, was du hast. Die ziehen dir deine ganze Kraft und Energie raus. Das sind Vampire. Zeigst du nur eine Sekunde Schwäche, lässt du nur einen Moment locker, dann hast du verloren. Tja, und mit ein, zwei Schnäpschen zwischendurch ging das alles leichter. Es war dann mehr Gleichgültigkeit da.»
Traurig das alles, denke ich, doch ein Mitgefühl mit Ludger Munker wird sich bei mir nur schwerlich einstellen.
«Zurück zur Tat», schaltet sich Markus wieder ein. «Was haben Sie gemacht, nachdem Sie zugestochen haben?»
«Wie gesagt, meine Erinnerungen sind da nur bruchstückhaft. Vieles habe ich mir im Nachhinein zusammengereimt. Ich muss das Messer aus ihr rausgezogen haben und gleich wieder zurück nach Hause gefahren sein. Und ich weiß noch, dass ich die Türklinke mit meinem Taschentuch abgewischt habe.»
«Sie wissen schon, dass Ellen Murnau noch leben könnte, wenn Sie, statt zu fliehen, sofort einen Rettungsdienst gerufen hätten?», fragt Markus.
Munker nickt. «Ich wollte nur weg, Spuren verwischen und weg. Das alles ist nicht geschehen, habe ich mir immer und immer wieder einreden wollen. Ich bildete mir ein, ich lebe jetzt einfach so weiter, als hätte es diese Tat nicht gegeben. Anders kann ich das nicht erklären.»
Muss er auch nicht, denke ich. Der Tathergang ist klar, über das Strafmaß mögen zum Glück andere entscheiden.
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37. Kapitel
I ch simse Stefanie, ob ich sie treffen könne, und sie stimmt zu meiner Freude umgehend zu. Wir verabreden uns für vier zu einem weiteren Waldspaziergang. Mal wieder. Vielmehr fällt uns zugegebenermaßen nicht ein, als uns zum Reden zu Waldspaziergängen zu verabreden. In gewisser Weise liegt es auch in der Natur der Sache, da es hier im Vogelsberg nun mal deutlich mehr Wald gibt als trendige In-Locations. Und außerdem muss ja auch der Hund raus.
Es gibt einiges zu besprechen. Noch immer sitzt mir der Schreck des Gespräches mit ihrem Mann im Nacken. Darüber haben wir uns bisher ebenso wenig austauschen können wie über meine heroische Verbrechensaufklärung im Gartenschuppen.
Es ist schwülwarm. Berlusconi hechelt dementsprechend inbrünstig neben mir an der Leine. Auch ich beginne schon bei der leichtesten Steigung zu transpirieren. Stefanie Assmann nicht. Ich erzähle ihr detailliert von
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