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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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tausendmal stärker als ich”, hielt ich ihm entgegen.
    “Ich kann mich an keine Gegenwehr erinnern, als ich dich geküsst habe”, behauptete er. “Oder als ich dich ausgezogen habe.”
    Er hatte recht, und ich schämte mich so sehr, dass ich mir wünschte, die Zeit bis zu jenem Moment zurückdrehen zu können, als ich ihn von der Veranda aus erblickt hatte. Ich hätte mich anders entschieden, wenn ich nur zwei Sekunden an Charles und Joan gedacht hätte – und an das Baby, an Ned.
    Ich streifte den BH über, während er zusah.
    “Lass mich das tun”, bot er an, als ich mit den Haken kämpfte.
    Ich machte fast einen Satz zur Seite und zog die Bluse über den nicht geschlossenen BH.
    “Bist du wirklich wütend?” Er klang verwundert.
    “Ja!”
, schrie ich. “Ich bin sogar
sehr
wütend.”
    Ich fuhr in meine Hose, das Höschen fand ich nicht.
    “Es tut mir leid.” Er setzte sich auf, griff nach meinem Knöchel, verfehlte ihn jedoch. “Es tut mir sehr leid, Maria”, wiederholte er. “Ehrlich.”
    Ich rannte über das Grundstück, dass der Sand nur so hinter mir wegspritzte, und stoppte erst am Bungalow. Ich schluchzte, während ich Wasser heiß machte, um zu baden. Ich wollte jede Spur von Ross Chapman an meinem Körper tilgen. Ich zog meinen Morgenmantel an, schüttelte den Sand aus meinem Haar und stand barfuß in der Küche, um zuzusehen, wie das Wasser langsam warm wurde. Ich fühlte mich benommen. Als ob ich verrückt werden würde. Und ich wiederholte immer wieder:
Es tut mir leid, Charles, es tut mir so leid, Charles.
    Ich bin über diesen Abend niemals richtig hinweggekommen und habe ihn mir nie verziehen. Sogar mit einundachtzig Jahren und mit dem Wissen, dass man den Vorfall durchaus als Date Rape bezeichnen konnte, wachte ich manchmal mitten in der Nacht davon auf, dass ich diesen Satz voller Schuld und Reue vor mich hin murmelte.

36. KAPITEL
    J ulie
    1962
    Ich erinnere mich an den Tag, an dem alles schiefging. Es war der fünfte August, ein Sonntag. An diesem Tag starb auch Marilyn Monroe.
    An dem Morgen saßen wir alle außer Isabel am Verandatisch und warteten darauf, unser reichhaltiges Sonntagsfrühstück zu beginnen.
    “Isabel?” Meine Mutter lehnte sich zurück, um ins Wohnzimmer zu spähen. Wir durften Eier und Speck und Brötchen und Streuselkuchen erst anrühren, wenn meine ältere Schwester am Tisch saß und wir ein Tischgebet gesprochen hatten.
    Wir hörten, wie Isabels Füße über das Linoleum im Wohnzimmer jagten. Sie rannte auf die Veranda und setzte sich neben mich.
    “Marilyn Monroe ist tot”, verkündete sie, als wir uns gerade die Hände zum Tischgebet reichten.
    “Was?”
Meine Mutter nahm Lucys Hand. “Wovon redest du?”
    “Ich habe es gerade im Radio gehört”, sagte Isabel. “Sie hat sich umgebracht.”
    “Was für eine Schande”, empörte sich meine Großmutter.
    Mein Vater gab einen Laut des Abscheus von sich. “Es ist nur passend, dass sie durch eine Sünde gestorben ist, denn so hat sie auch gelebt”, war sein Kommentar.
    “Wie hat sie sich umgebracht?”, fragte ich neugierig.
    “Ich will nichts davon hören!” Lucy hielt sich die Ohren zu und summte laut, als meine Schwester antworten wollte.
    “Nicht jetzt, Isabel”, befahl Grandma. “Lucy will es nicht hören.”
    Ich wusste wenig über Marilyn Monroe, nur dass sie blond und schön und äußerst sexy war. Die Männer wurden schwach bei ihr, und die Frauen beneideten sie. Warum sollte so jemand sich umbringen?
    “Lasst uns das Tischgebet sprechen.” Mein Vater griff auf der einen Seite nach meiner und auf der anderen nach der Hand meiner Großmutter. Wir beugten die Köpfe, rezitierten die auswendig gelernten Worte und machten uns dann ans Frühstück. Am Sonntagmorgen stand immer mein Vater in der Küche und bereitete Rühreier mit Zwiebeln, Peperoni und Tomaten zu. Das Sonntagsfrühstück gehörte zu meinen Lieblingszeiten mit der Familie.
    “Heute Abend”, verkündete Grandma, während sie das Rührei mit der Gabelseite zerteilte, “wollen Grandpop und ich euch Mädchen mit zur Strandpromenade nehmen.”
    Ich schrie vor Freude auf, war aber nicht überrascht, als Izzy sich rausredete.
    “Danke, Gram”, sagte sie, “doch ich habe schon eine Verabredung.”
    “Kommst du auch mit, Mom?”, fragte Lucy.
    Meine Mutter schenkte sich eine zweite Tasse Kaffee ein. “Nein, Liebes”, meinte sie. “Ich bleibe zu Hause und erledige die Hausarbeit.” Es sollte noch Jahre dauern, bis mir

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