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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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ihr sprechen kannst.”
    “Wie?”
    “Irgendwann gegen Mitternacht schwimmt sie hinaus zur Plattform in der Bucht und sitzt dann einfach da, um nachzudenken”, erklärte ich. “Sie ist gerne mal für sich, weißt du? Einfach nur, um über alles nachzudenken.” Tatsächlich hasste Isabel es, allein zu sein. Ich sprach mehr über mich und wie ich meine Zeit verbrachte, wenn ich nachts mit dem Boot in die Bucht fuhr. Doch das spielte keine Rolle. In diesem Gespräch ging es nicht um die Wahrheit.
    “Das ist ja merkwürdig”, fand er. Ich bezweifelte sehr, dass Bruno der Typ war, der Momente der Ruhe und Innerlichkeit zu schätzen wusste. Er und Izzy würden perfekt zueinander passen.
    “Sie ist einfach mal gern für sich”, wiederholte ich achselzuckend. “Heute Nacht kannst du sie dort antreffen. Dann kannst du mit ihr sprechen, ohne dass jemand anders dabei ist.”
    “Ich weiß nicht”, zierte er sich. “Ned ist ein guter Kumpel.” Er blickte zur geöffneten Lovelandtown Bridge, und die Sonne spiegelte sich in seinen wunderschönen grünen Augen, während er an der Unterlippe nagte. Es war seltsam, einen so kräftigen, gut aussehenden Jungen so unsicher zu erleben. “Aber es ist eine gute Idee”, betonte er und nickte, während er sich offenbar mehr und mehr mit dem Plan anfreundete. “Und du sagst, sie ist fast jede Nacht dort?”
    “Ja. Und ich bin sicher, dass sie heute Nacht ebenfalls dort sein wird.”
    “Warum bist du sicher?”
    “Weil es Sonntagnacht ist. Dad fährt sonntags zurück nach Westfield, sodass sie sich ein bisschen freier fühlt. Du weißt schon, damit man sie nicht erwischt.”
    “Dann danke, Julie”, sagte er. “Du bist wirklich in Ordnung.”
    “Gerne.”
    Er blickte sich um, ob er zur Seite wegschwenken konnte, und winkte noch einmal, bevor er in Richtung Brücke losfuhr. Als das Röhren seines Boots zwischen den anderen Geräuschen auf dem Kanal verklungen war, dreht George sich zu mir um.
    “Du führst nichts Gutes im Schilde, Mädchen”, warnte er.
    Neds Nachricht richtete ich Isabel niemals aus. Lucy und ich gingen an jenem Abend mit unseren Großeltern zur Strandpromenade, und Izzy war mit ihren Freundinnen verabredet. Ich wusste, dass sie sie irgendwann verlassen würde, um sich mit Ned an der Plattform zu treffen. Sie durfte eigentlich nur bis halb zwölf weg, doch ich nahm an, dass sie gar nicht erst nach Hause ging, weil unsere Mutter sowieso schon schlafen würde. Ich war ganz aufgeregt wegen meines Plans und konnte an nichts anderes denken, während ich Karussell fuhr und die Zuckerwatte aß, die Grandpop uns spendierte. Ich hielt mich für wahnsinnig schlau.
    Als wir wieder daheim waren, ging ich mit Lucy nach oben und wartete darauf, dass sie einschlief. Ich lag auf meinem Bett hinter dem Vorhang und las noch einmal
Der Beweis in der Schatzkiste
, doch ich schaffte nie mehr als einen Satz, bevor meine Gedanken zu Isabel wanderten und ich mich fragte, was wohl um Mitternacht geschehen würde. Ich hoffte, dass Bruno sich ein bisschen taktvoller verhielt als normalerweise. Ich stellte mir vor, dass er mit dem Boot an der Plattform hielt und fragte: “Bist du das, Isabel?” Ich hoffte jedenfalls, dass er überrascht tat und nicht so etwas Dämliches vorbrachte wie: “Julie sagte mir, dass ich dich hier finden würde.” Herrje, wenn er das tat, würde ich ihn umbringen.
    Dann stellte ich mir vor, wie Isabel suchend zum Strand blicken und sich fragen würde, wo Ned blieb. Vielleicht würde sie Brunos Anwesenheit nervös machen. Vermutlich sogar, denn sie würde wohl kaum wollen, dass Ned sie dort mit einem anderen Jungen erwischte. Aber vielleicht würden sie und Bruno ein paar Minuten miteinander sprechen, und dann würde sie sich entspannen. Sie würde begreifen, dass Ned aus irgendeinem Grund nicht kam. Irgendetwas war schiefgegangen mit ihrer üblichen Verabredung. Und vielleicht würde ihr Bruno in einem anderen Licht erscheinen. Der Mond stand heute Nacht nur als schmale silberne Sichel am Himmel, sodass sie seine hübschen grünen Augen vermutlich nicht erkennen konnte, doch vielleicht fühlte sie sich dennoch zu ihm hingezogen. Zumindest würde sie anfangen, ihn mit Ned zu vergleichen, und mit ein bisschen Glück kam Ned dabei nicht so gut weg.
    Wie so oft, wenn ich dabei war, schlief Lucy rasch ein. Ich arrangierte mein Bettzeug wieder so, als ob ich dort liegen würde, und schlich mich leise die wackelige Treppe hinunter.
    Grandpop war bereits im

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