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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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nicht, dass sie stirbt.”
    Ich senkte den Kopf und verfolgte eine Träne, die auf meinen blauen Rock fiel und dort einen dunklen Fleck bildete. “Nein.”
    “Du wolltest nicht, dass sie stirbt”, wiederholte er, als ob er wollte, dass ich es wirklich glaubte.
    Ich schüttelte den Kopf. “Ich habe sie geliebt.”
    Er nickte. “Ich weiß.” Dann änderte sich sein Ton, und ich wusste, dass wir uns dem Ende unseres Gesprächs näherten. Das enttäuschte mich. Hier konnte ich über alles reden. Zu Hause konnte ich nichts davon sagen. “Julie”, sagte er in dem veränderten Ton. “Du sollst wissen, dass du jederzeit zu mir kommen kannst, wenn du das Bedürfnis danach hast. Jederzeit. Du kannst mich mitten in der Nacht anrufen, wenn du das möchtest. Der Herr und ich werden immer für dich da sein. Und nun lass uns für die Seele deiner Schwester beten.”
    Das taten wir. Ein paar Minuten lang saß ich mit gesenktem Kopf da, während er Gott bat, über Isabel zu wachen. Ich spürte, wie während dieses Gebets ein winziges Stück Frieden in mein Herz einzog.
    Als wir fertig waren und ich gerade hinausgehen wollte, fiel mir plötzlich ein, dass er mir keine richtige Buße aufgetragen hatte. Die drei “Gegrüßest seist du Maria” vom Vortag zählten sicher nicht; sie waren noch weniger, als ich von dem Priester in Point Pleasant für einen unreinen Gedanken bekommen hatte.
    “Sie haben vergessen, mir meine Buße aufzutragen”, erinnerte ich ihn, die Hand schon am Türknauf.
    “Du brauchst keine Buße von mir”, erwiderte Pater Fagan. “Deine Buße besteht darin, dass du mit dem, was du getan hast, bis zum Ende leben musst.”
    Er hätte nichts Wahreres sagen können.
    Meine Großeltern brachten unseren Bungalow auf den Markt und verkauften ihn schnell. Auch das war meine Schuld. Das Haus hatte uns allen so viel bedeutet und gehörte seit fast vierzig Jahren zur Geschichte meiner Familie. Wir sollten im Sommer nie wieder an die Küste fahren. Dieses Kapitel in unserem Leben war vorüber.
    Niemand sagte je:
Julie, du hast an allem Schuld, du bist ein schrecklicher Mensch
, doch das brauchte auch niemand. Jeder wusste, dass es so war. Es dauerte Wochen, bevor meine Mutter mit mir sprechen konnte, ohne
Warum? Warum? Warum?
zu fragen. Eine ganze Zeit lang fühlte ich mich abgeschnitten von dem warmen Familienleben, das ich kannte. Mit der Zeit wurde es besser, obwohl abgesehen von der mitfühlenden ersten Reaktion meines Vater niemand zu mir sagte:
Es ist in Ordnung, Julie. Wir wissen, dass du Isabels Tod nicht wolltest.
Diesen Trost fand ich in den Wochen und Monaten danach nur bei Pater Fagan, auch wenn ich diese Worte so gern von jemandem aus der Familie gehört hätte. Doch niemand sprach sie je aus.

41. KAPITEL
    L ucy
    “Erkennst du dieses kleine Gebäude wieder?”, fragte mich Julie, als wir in die Straße nach Bay Head Shores einbogen. Sie zeigte nach links, wo sich ein winziger Antiquitätenladen unter der Auffahrt zur Lovelandtown Bridge duckte.
    Ich schüttelte den Kopf. “Nicht mal ansatzweise.”
    “Na ja, es sieht natürlich auch völlig verändert aus”, bemerkte Julie. “Und die große Brücke war damals nur eine kleine, doch der Antiquitätenladen war früher der Eckladen. So haben wir ihn zumindest genannt. Du hast die Bonbonknöpfe dort geliebt.”
    “Ja, an die Bonbonknöpfe erinnere ich mich”, erwiderte ich und sah die Streifen mit den bunten Bonbons vor mir.
    “Einmal sind wir mit dem Fahrrad hierhergefahren und gerieten auf dem Heimweg in den Sprühnebel des Schädlingsbekämpfers, weißt du noch?”
    “Daran erinnere ich mich auch”, sagte ich. “Ich fiel vom Fahrrad und hatte einen Schnitt am Arm.” Ich sah meine Arme an, als erwartete ich, eine Narbe zu sehen, dabei war ich nicht einmal sicher, an welchem Arm ich mich verletzt hatte. “Vermutlich werden wir wegen des DDT, oder was auch immer es war, vorzeitig sterben”, fügte ich hinzu.
    Julie bog wieder ab. “Sollen wir an der Bucht und unserem Strand vorbeifahren, bevor wir zu Ethan gehen?”
    “Später”, schlug ich vor. Ich hatte einen Harnwegsinfekt, was mir furchtbar ungerecht vorkam, weil ich seit Monaten keinen Sex mehr gehabt hatte. Alles, woran ich im Moment denken konnte, war die Toilette in Ethans Haus.
    Es war am frühen Freitagnachmittag, und Ethan hatte Julie, Shannon, Tanner und mich übers Wochenende in sein Haus eingeladen. Shannon und Tanner hatten abgelehnt, doch ich hatte zugesagt. Irgendetwas zog

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