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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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gehüllten Tampons oder selbstklebenden Slipeinlagen noch nicht selbstverständlich. Ich holte den Bindengürtel, den ich schon rasch zu verwünschen gelernt hatte, und befestigte die voluminöse Binde. Ich verfluchte es, als Mädchen geboren zu sein. Danach zog ich meine Shorts und ein Top an, sammelte weitere Handtücher ein und ging hinunter in die Küche, wo ich mich mit den Handtüchern im Arm aufbaute.
    Meine Mutter wickelte gerade das letzte Sandwich in Wachspapier, als sie mich ansah.
    “Warum hast du deinen Badeanzug ausgezogen?”, wunderte sie sich.
    “Ich gehe nicht mit”, antwortete ich. “Meine blöde Freundin ist da.”
    Einen Augenblick wirkte sie verwirrt, bevor sie die Anspielung verstand. “Ach, Süße, das tut mir leid.” Sie umarmte mich, doch sie lächelte dabei, was mich an ihrem Mitgefühl zweifeln ließ. “Komm trotzdem mit an den Strand.”
    “Jeder wird fragen, warum ich keinen Badeanzug anhabe”, jammerte ich.
    Sie zuckte die Achseln, als wäre das nebensächlich. “Und wenn schon. Dann sagst du, du hättest heute keine Lust zum Schwimmen”, schlug sie vor.
    In dem Moment kam Isabel herein. Sie bewegte rhythmisch den Kopf zu dem Lied “Sherry” von den Four Seasons, das aus dem Transistorradio dröhnte, das sie bei sich trug.
    “Schirm ist im Wagen”, sagte sie zu unserer Mutter.
    “Mach das bitte leiser”, forderte Mom.
    Ich zuckte halb zusammen, weil ich erwartete, dass Isabel sich weigern würde. Sie und Mom stritten Tag und Nacht, meistens über Ausgangssperren und die Klamotten, die Isabel anziehen wollte. Ich hatte es satt. Doch Isabel drehte den kleinen Knopf an ihrem Radio und stellte die Lautstärke leiser, hörte aber nicht auf, sich zu der Musik zu bewegen. Ich sah ihr gerne dabei zu. Ich wusste, dass sie sexy war. Ich wusste, dass das die Jungs über sie sagten. Sie trug einen pinkfarbenen Bikini, wobei die Hose kaum ihren Nabel bedeckte. Ihre Haut hatte einen sanften Olivton, der sich nach ein paar Tagen am Strand zu einem tiefen Braun verdunkeln würde. Ich konnte es kaum erwarten, so alt zu werden wie sie.
    Plötzlich hörte Isabel auf, in der Küche herumzuhüpfen, und starrte mich an. “Warum bist du nicht fertig für den Strand, Jules?”, fragte sie.
    “Ich
bin
fertig”, betonte ich.
    “Oh.” Isabel nickte. Ihr Mitgefühl schien aufrichtig. “Die Heimsuchung ist über dich gekommen.”
    “Es ist so peinlich.”
    “Ich weiß”, sagte sie. “Es tut mir wirklich leid für dich. Ich zeige dir, wie man einen Tampon benutzt.”
    “Nein, das wirst du nicht.” Meine Mutter öffnete den Schrank und holte die kleinen Plastikanstecker raus, die wir an dem Privatstrand an unseren Badeanzügen tragen mussten. “Sie ist zu jung.”
    Es spielte keine Rolle, ob Isabel mir beibrachte, wie man einen Tampon benutzte, oder nicht. Was zählte, war, dass sie mir ihre Aufmerksamkeit geschenkt und es mir angeboten hatte.
    “Das ist
mein
Handtuch!” Isabel zog unvermittelt eines der Handtücher aus dem Stapel in meinem Arm, sodass einige andere zu Boden fielen.
    “Wo ist das Problem?”, gab ich zurück und hob die Handtücher verärgert auf.
    “Kein Problem”, erwiderte sie und warf mir einen Blick zu, der eindeutig besagte:
Halt die Klappe!
    Ich glaubte zu verstehen. Das Handtuch, das sie rausgefischt hatte, war mir völlig unbekannt. Es war sehr groß und weich und zeigte eine Giraffe. Ich war sicher, dass Ned es ihr geschenkt hatte.
    Wir drängten uns alle in den heißen Wagen für die Zwei-Minuten-Fahrt zum Strand. Lucy musste sich ein Handtuch unter die Beine legen, weil sie glaubte, dass der Sitz sie sonst verbrennen könnte. Sie trug bereits ihren Schwimmring um den Bauch, als ob sie Angst hätte, in der Hitze zu ertrinken. Ich half ihr, den Plastikanstecker an ihrem Badeanzug zu befestigen.
    Da es mitten in der Woche war, befanden sich nicht allzu viele Menschen am Strand, was mich enttäuschte. Wir gingen von dem mit Muschelresten bedeckten Parkplatz über den heißen Sand Richtung Wasser. Ich erblickte kein anderes Kind, das in meinem Alter war. Bis ich schließlich doch jemanden sah. Er lag bäuchlings an der Wassergrenze und stocherte mit einem Stock in einem Klumpen Seetang herum. Ethan. Was für ein
Spinner
, dachte ich. Wie hatte ich jemals mit ihm befreundet sein können?
    Schließlich erreichten wir eine Stelle am Strand, nicht weit vom Wasser, die meine Mutter für perfekt erklärte. Isabel legte ihr Radio und das Giraffenhandtuch ab, stach

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