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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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den Sonnenschirm in den Sand und öffnete ihn. Mom und ich breiteten daneben eine unserer zwei Decken aus, und Lucy mit ihrem Schwimmreifen setzte sich sofort hin. Sie kreuzte die Beine, öffnete ihr Buch und begann zu lesen.
    “Du kannst die Decke direkt neben diese legen”, sagte Mom zu Isabel.
    Isabel sah zur Strandwache, und ich folgte ihrem Blick. Ned Chapman war der Strandwächter. Kein Wunder, dass er schon so braun gebrannt war. Er trug eine Sonnenbrille und hatte weiße Zinkcreme auf der Nase. Sein blondes Haar wirkte noch heller als vor ein paar Tagen. Die Haare an seinen nackten Beinen glitzerten im Sonnenlicht, und ich verspürte wieder dieses köstliche Ziehen in meinem Bauch, das mich immer überkam, wenn ich ihn sah. Ich würde das Gefühl für zwanzig Minuten oder so genießen und mich dann dem Trost von Nancy Drew und ihrer rätselhaften Geheimnisse überlassen. Das unvertraute Verlangen, das in mir hochstieg, erschreckte mich in Kombination mit meinem ungestümen Temperament und meinem Verlangen nach Aufregung fast zu Tode, und Nancy versprach da Erleichterung.
    Als ob er spürte, dass ich an ihn dachte, sah Ned zu uns herüber und winkte. Ich winkte zurück, auch wenn ich wusste, dass er nicht mich meinte.
    “Kann ich zu Mitzi und Pam hinübergehen?”, fragte Isabel.
    “Darf ich bitte”, korrigierte Mom.
    “Darf ich bitte?”
    “Natürlich. Möchtest du vorher noch ein Glas Limonade?”
    “Nein, danke.” Isabel war bereits auf dem Weg, das Radio und das Handtuch unter dem Arm, und ich fragte mich, ob unsere Mutter eigentlich bemerkte, dass Ned dort drüben war. Ich bewunderte die Beine meiner Schwester, während sie durch den Sand zu dem Haufen Teenager schlenderte, die sich dort bei Radiomusik um die Strandwache herum bräunten. Herrje, ich wollte Isabel sein! Ich wollte wissen, wie man einen Tampon benutzt, wollte diese langen Beine und vollen Brüste haben. Ich wollte, dass die Jungs mir nachschauten, wenn ich an ihnen vorüberging, so wie sie es jetzt bei Isabel taten. Ich beobachtete, wie die anderen sie begrüßten. Pamela Durant setzte sich auf und schob dabei einen Träger ihres Oberteils zurecht, der ihr über die Schulter gerutscht war. Sie lächelte Isabel an und klopfte auf die Decke neben sich, wo Isabel Platz nahm. Es war ein ganzer Haufen gut aussehender Teenager. Sie waren etwa zu zehnt, überall lange Glieder, volle Brüste und nackte Männeroberkörper, welliges Haar, das im Sonnenlicht glänzte, und Körper, auf denen das mit Jod getönte Baby-Öl glänzte. Die meisten von ihnen rauchten, doch ich glaubte nicht, dass Izzy jemals eine Zigarette geraucht hatte.
    Ich kannte einige von Isabels Freundinnen, weil sie seit ein paar Jahren zu dieser Clique gehörte. Mitzi Caruso war das netteste der Mädchen, zugleich das schüchternste und am wenigsten attraktive. Ihr schwarzes Haar blieb den ganzen Sommer lang kraus, und sie war ein wenig mollig. Pamela Durant war umwerfend, vielleicht noch hübscher als meine Schwester. Sie trug ihr hellblondes Haar in einem langen, seitlich gebundenen Pferdeschwanz, und sie erinnerte mich an Cricket, die Person, die Connie Stevens in der Fernsehserie
Hawaiian Eye
spielt. Der einzige Junge, den ich kannte, war Bruno Walker, Neds bester Freund. Sein richtiger Name lautete Bruce, doch nur die Erwachsenen nannten ihn so. Er trug sein schwarzes Haar zu einem Ducktail frisiert, hatte grüne Augen und Schmolllippen und war groß und durchtrainiert. Ich hörte Isabel und Pam einmal darüber sprechen, dass er wie Elvis Presley aussehe. Sie sagten, er wäre wild: Er war schon mal auf der Motorhaube eines Autos mitgefahren, und er trank zu viel. Er sah gut aus, doch er interessierte mich nicht so wie Ned.
    Ich bemerkte, wie Ned von seiner Rettungsstation zu uns herübersah, dann hinuntersprang und die paar Schritte hinüber zu Isabel ging. Er legte ihr die Hand auf die Schulter, und in meinem Bauch krampfte sich wieder alles zusammen, als er sich vorbeugte, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern. Sie lachte und zog neckisch an der schwarzen Trillerpfeife, die um seinen Hals hing.
    Du solltest besser den Strand bewachen
, dachte ich. Ich legte mich bäuchlings auf die Decke, wandte mich von ihnen ab und schloss die Augen. Ich war ganz einfach eifersüchtig.
    Ich wusste etwas über Isabel und Ned, das niemand sonst wusste. Etwas, mit dem ich Druck auf sie ausüben konnte, wenn ich das je musste. Am Tag zuvor hatten Isabel und ich auf der Veranda gelesen,

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