Der Tod meiner Schwester
Vordertreppe zurück zu seinem Wagen. Keiner von uns beiden sprach ein Wort, auch wenn ich wusste, dass es viel zu sagen gäbe, wenn wir den Mut dazu hätten. Ich öffnete ihm die Tür auf der Fahrerseite. Es machte mich nervös, wenn ich daran dachte, dass jemand in seinem Zustand am Steuer saß. Ich hatte ihn nicht einmal gefragt, wo er wohnte und wie weit er es hatte.
“Woran ist Ned gestorben?”, fragte ich, bevor ich die Wagentür schloss.
“Am Alkohol”, erwiderte Ross. “Daran, dass er seine Probleme im Alkohol ertränkt hat. Ich glaube nicht, dass er jemals über den Verlust von Isabel hinweggekommen ist.”
Ich zuckte zusammen und schloss dann die Tür. Ich beobachtete, wie er fortfuhr, bevor ich zu meinem Sitz im Garten zurückkehrte. Ich zog die Handschuhe an und versenkte die Gartenschaufel in der Erde, obwohl ich vor lauter Tränen kaum etwas sehen konnte.
Ich glaube nicht, dass er jemals über den Verlust von Isabel hinweggekommen ist.
“Genauso wenig wie ich, Ross”, sagte ich laut. “Genauso wenig wie ich.”
9. KAPITEL
L ucy
Shannon verbrachte fast den ganzen Nachmittag bei mir, während wir über ihr Dilemma sprachen. Es war für mich merkwürdig, mit anzusehen, wie sie zwischen Tränen der Angst und der Sorge und der Freude über die neue Liebe in ihrem Leben hin- und herschwankte. Sie war immer eine sehr bodenständige und vernünftige Person gewesen, sogar als kleines Kind. Doch wenn sie von Tanner sprach, hatte man den seltsamen Eindruck, als hätte eine Sekte sie vereinnahmt, ihr eine Gehirnwäsche verpasst und sie als andere Person wieder entlassen. Die Shannon, die hier in meinem Wohnzimmer saß, war das gleiche hübsche Mädchen, das so viel Freude in ihre Familie gebracht hatte, doch ihre Worte schienen so gar nicht zu ihr zu passen. Es war, als ob wir sie wieder umprogrammieren müssten.
Sie sagte, dass sie im Musikgeschäft noch eine Cellostunde geben müsste und ging gegen vier Uhr. Keine Viertelstunde später tauchte Julie bei mir auf. Ich hatte versucht, sie auf dem Handy zu erreichen, um zu erfahren, wie der Lunch mit Ethan gelaufen war, doch ich hatte nur ihre Mailbox erreicht. Also holte ich meine Geige hervor, um für ein anstehendes Konzert der ZydaChicks zu üben.
“Ich störe dich beim Proben”, sagte Julie, als sie die Geige in meiner Hand erblickte. Ihre Wangen waren gerötet, was sie sehr hübsch aussehen ließ, aber vermutlich von einem unangenehmen Wärmegefühl herrührte. Ich wusste, dass sie mit Hitzewallungen zu kämpfen hatte, etwas, das mir noch bevorstand.
“Ich habe noch nicht einmal angefangen”, erwiderte ich, nahm ihre Hand und zog sie in mein Apartment. “Also, wie war es?”, fragte ich, während ich die Geige wieder in den Kasten zurücklegte.
“Nicht schlecht.” Julie ließ sich auf mein Sofa fallen. Auf dem Tisch standen noch immer die zwei leeren Limonadegläser, und ich räumte sie rasch in die Küche, bevor sie fragen konnte, wer da gewesen war, doch sie schien sie nicht einmal bemerkt zu haben.
Ich musterte sie, als ich wieder ins Zimmer kam. “Bist du okay?”
Sie hielt die Hände gegen die Wangen gepresst, die fast so rot waren wie ihr T-Shirt. “Ich bin nur …” Sie lächelte albern. “Ich verliere nur die Beherrschung, glaube ich.”
“Eine Hitzewallung?”, fragte ich, obwohl ich inzwischen ahnte, dass es mehr war als das. Sie hatte gerade ein Gespräch über den Mord an Isabel hinter sich. Das allein war Grund genug, die Beherrschung zu verlieren.
“Was?”, sagte sie. “Oh, möglich. Ich weiß es nicht.” Sie streifte ihre Sandalen ab und legte die Beine auf die Couch. “Ich konnte Ethan überzeugen, den Brief zur Polizei zu bringen.”
“Oh, das ist großartig.” Ich war erleichtert. Ich setzte mich wieder in den Sessel und zog die Beine unter den Rock. “War es schwer, ihn dazu zu bringen?”
Sie nickte. “Ich brauchte viel Überzeugungskraft”, erwiderte sie. “Es war hart, und er tat mir leid.” Julie betrachtete ihre Füße, die sie anzog und wieder streckte. Dann blickte sie zu mir. “Er kann einfach nicht damit umgehen, dass sein Bruder nach all den Jahren womöglich schuldig ist.”
“Verständlich, dass er das nicht kann”, kommentierte ich. “Was glaubst du, was die Cops mit dem Brief tun werden?”
“Das ist der beängstigende Teil”, antwortete Julie. “Ethan hat einen Freund bei der Polizei, und dem hat er die Sache – hypothetisch – unterbreitetet, um zu erfahren, was
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