Der Tod meiner Schwester
diejenige, die wollte, dass ich ihn zur Polizei bringe”, stellte er klar.
Ich blitzte ihn scharf an. “Das hat die Dinge ja nicht aufgewühlt”, behauptete ich. “Der Brief
existierte
, ob du ihn zu ihnen gebracht hast oder nicht.”
Er tätschelte beschwichtigend meine Schulter. “Du hast recht”, sagte er. “Ich wollte nicht unbedacht klingen oder dir die Schuld geben. Es war richtig, ihn der Polizei zu übergeben. Sie machten mir Vorhaltungen, ihn nicht schon früher gebracht zu haben.” Er blickte auf seine Hände und rieb sie, um sie dann mit der Innenfläche nach oben zu drehen, sodass ich die Spuren seiner Arbeit an seinen Fingern sah. Die Haut wirkte rau und abgehärtet. Ich wollte eine seiner Hände in meine nehmen. Es tat mir leid, dass ich ihn angefahren hatte. Das Ganze war für ihn genauso schwer wie für mich.
“Vermutlich nehmen sie an, dass ich die Zeit brauchte, um Neds Haus zu säubern”, fuhr Ethan fort. “Du weißt schon, um sicherzustellen, dass sie nichts Belastendes finden werden.”
“Ist es richtig, dass sie nichts fanden?”
“Ja, und auch ich habe nichts gefunden, als ich seine Hinterlassenschaften sortierte. Keine geheimen Tagebücher. Keine Geständnisse. Obwohl mein Freund bei der Polizei sagte, dass sie in dem Haus genug Haare oder was auch immer finden, um einen DNA-Test durchzuführen.”
“Nun, das ist gut”, meinte ich, auch wenn ich nicht genau wusste, wie eine DNA-Probe von Ned derzeit von Nutzen sein sollte. “Was haben sie dich denn gefragt? Und was werden sie mich morgen fragen?”
Er lehnte sich zurück, seine Hände ruhten auf den Oberschenkeln. “Ich sollte ihnen die Namen von allen Personen geben, die Ned kennt. Kannte”, verbesserte er sich. “Seine Trinkkumpane. Frauen, mit denen er ausging. College-Freunde. Menschen, denen er sich vielleicht anvertraut hatte. Ich konnte ihnen nicht viele nennen. Ned hielt sich abseits. Er war keiner, der mit anderen trank. Er trank, um betrunken zu werden. Allein. Punkt.”
“Wie war deine Beziehung zu ihm?”
“Sehr schwierig. Er wollte nicht viel mit mir zu tun haben, weil ich ihn immer wegen seiner Trinkerei bedrängte. Damit er Hilfe annahm. Er wollte davon nichts hören. Auch Dad sah er nur selten, was meinen Vater fast umgebracht hat. Er hat noch immer das Gefühl, bei Ned versagt zu haben, dass er etwas hätte tun müssen, um ihm zu helfen.”
“Oh!”, fiel mir ein. “Ich habe ganz vergessen, dir etwas zu erzählen.”
Erwartungsvoll sah er mich an.
“Weißt du, dass dein Vater meine Mutter besucht hat?”
Er wirkte erstaunt. “
Was?”
“Ja, das hat er”, betonte ich. “Er tauchte am gleichen Tag bei ihrem Haus auf, an dem du und ich uns in Spring Lake trafen.”
Er schaute so ungläubig, als würde ich mir das zusammenfantasieren. “Warum sollte er das tun?”
“Ich weiß es nicht, und sie war nicht sehr mitteilsam”, erwiderte ich. “Sie sagte, er hätte an uns gedacht und sich entschieden, sie zu besuchen. Weiß er von dem Brief?”
Ethan schüttelte den Kopf. “Das kann er nicht”, antwortete er. “Seit unserem Treffen habe ich schon mit ihm gesprochen, und er hat nie ein Wort davon gesagt, dass er deine Mutter besucht hat. Ist er den ganzen Weg hinauf nach Westfield gefahren, um sie zu besuchen?”
“Ja. Jedenfalls kam er zu ihrem Haus. Ich nehme an, dass er gefahren ist.”
“Oje! Es macht mir schon Angst, wenn er um die Ecke fährt, erst recht nach Westfield. Ich muss mit ihm darüber sprechen. Ich weiß nicht, wie lange er noch allein zurechtkommt. Er ist …” Er schüttelte den Kopf. “Nun, das ist etwas, was Ned und mich verband”, erinnerte er sich. “Wir sprachen über Dad – was getan werden sollte, wie man ihn unterstützen konnte und solche Dinge. Nun bin ich allein damit.”
Ich dachte an Lucy, wie froh ich war, sie zur Schwester zu haben. Wie sehr ich sie liebte.
Ethan lehnte sich zurück, und ein träumerischer Ausdruck trat in seine Augen. “Ich wünschte nur …”, begann er. “Ich wünschte nur, ich könnte die Polizei davon abhalten, mit meinem Vater zu sprechen. Ich weiß, dass sie das vorhaben und vermutlich schon bald, denn er ist der Einzige, der Neds Alibi bestätigen kann. Ich befürchte, dass sie ihn bedrängen werden, denn sie glauben wohl, dass er seine Beziehungen spielen ließ, um Ned aus der Sache herauszubekommen.” Er schüttelte den Kopf. “Ich habe Angst, ihm von dem Brief zu erzählen.”
“Ich weiß. Ich kann mir
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