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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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Hahnen-Mannes ist fort”, bemerkte ich und bestaunte die Anhäufung von eckigen grauen Gebäuden an dem Ort, an dem die Hütte damals gestanden hatte.
    “Eigentumswohnungen”, sagte Ethan. “Wenn du zirka achthunderttausend Dollar hinblätterst, kannst du eine mit zwei Schlafzimmern kaufen.”
    Mir blieb der Mund offen stehen. “Machst du Witze?”
    “Du möchtest nicht wissen, was euer altes Haus wert ist”, entgegnete er.
    Ich zuckte zusammen. “Du hast recht”, sagte ich. “Möchte ich nicht.” Der jetzige Wert des Bungalows spielte keine Rolle. Meine Großeltern hätten ihn in jedem Fall verkauft, auch wenn sie die künftigen Immobilienpreise der Gegend in einer Kristallkugel gesehen hätten.
    Ethan erzählte mir von der alten Holzspundwand, die langsam verfault und vor Jahren durch eine rostfarbene Stahlwand ersetzt worden war. Er erzählte mir von den Veränderungen in unserer Straße, wie rasch sich die Zahl der Häuser in den Siebzigern vermehrt hatte. Wir sahen zu, wie eine Yacht mit einer gut betuchten Partygesellschaft an uns vorbeisegelte, und mir fiel auf, dass ich mich nicht einmal unserem alten Garten zugewandt hatte. Ich seufzte.
    “Es fällt mir leichter, die Spundwand oder die Boote anzuschauen –”, ich machte eine Kopfbewegung in Richtung Yacht, “– als dort hinüber.” Ich lenkte meinen Blick nach rechts und sah zum ersten Mal seit meiner Ankunft bei Ethan in unseren alten Garten.
    “Ich weiß”, erwiderte Ethan. “Ich dachte mir, du würdest es tun, wenn du so weit bist.”
    Die alten gestrichenen Deckchairs waren verschwunden, stattdessen standen leichte Metallstühle im Sand. Den Drahtzaun hatte man auch um das Dock gezogen, und der große Baum daneben war kaum als der Baum wiederzuerkennen, an den ich früher mein Krabbennetz gelehnt hatte. Die abgeschirmte Veranda, die mir als Kind so riesig vorgekommen war, zog sich noch immer das ganze Haus entlang, doch sie war nicht ansatzweise so tief, wie ich sie in Erinnerung hatte. Ein rundes Plastikschwimmbecken stand im Schatten des Baums, und ich konnte den Aufbau eines Motorboots im Dock erkennen.
    “Wer wohnt dort?”, fragte ich wieder.
    “Ein junges Paar”, sagte Ethan. “Die Kleins. Sehr nett. Sie sind vor vier Jahren eingezogen, und sie haben einen Jungen von ungefähr sieben Jahren.”
    “Ach so.” Jetzt verstand ich das Bedürfnis nach all den Zäunen. Sie gaben ihnen ein Gefühl der Sicherheit. Ich schickte ein kleines Stoßgebet zum Himmel, dass der Junge zu einem starken, gesunden Erwachsenen heranwuchs.
    “Ich erzählte ihnen, dass jemand, der in dem Haus gelebt hat, zu Besuch kommen würde”, verriet mir Ethan. “Du bist eingeladen, hinüberzugehen und dir anzuschauen, wie sich das Haus verändert hat, wenn du das möchtest.”
    “Nein”, wehrte ich rasch ab. Ich wollte keinen Fuß in das Haus mit all den Erinnerungen setzen. “Wissen sie … du weißt schon … was damals geschah?”
    “Nein.” Lächelnd beugte Ethan sich vor und stemmte die Ellenbogen auf die Knie. “Julie, du musst wissen, dass das Haus vermutlich –” Nachdenklich blickte er hinaus aufs Wasser. “Ich weiß es nicht genau. Vermutlich hat es in den letzten einundvierzig Jahren acht oder neun Besitzer gehabt.”
    Ich musste lachen über meine Torheit. Für mich schien alles, was in dem Haus geschah, erst gestern gewesen zu sein. Ich wollte Ethan fragen, ob er es vermisste, auf der hölzernen Spundwand zu sitzen, denn die stählerne bot keine Sitzfläche mehr. Ich wollte fragen, ob er die Blaubeerbüsche vermisste und die Wälder, in denen wir gespielt hatten, und die scheppernden Geräusche der Brücke, wenn sie sich öffnete, um die Schiffe durchzulassen. Doch mir wurde bewusst, dass diese Veränderungen – die acht oder neun Besitzer unseres Hauses, die Eigentumswohnungen statt der Hütte des Hahnen-Mannes – für ihn Geschichte waren. Er lebte in der Gegenwart von Bay Head Shores, wohingegen ich in der Vergangenheit feststeckte.
    “Hier zu sein ist schwer für dich, nicht wahr?”, fragte er.
    Ich nickte und starrte auf das Wasser. “Eine Tragödie geschieht”, sinnierte ich. “Dann machst du weiter oder zumindest versuchst du das, und du lebst dein Leben, doch du kannst niemals ganz vergessen. Es schlummert immer unter der ruhigen Oberfläche. Und dann … wumm.” Ich schlug mit der Faust auf den Oberschenkel. “Etwas geschieht – wie Neds Brief –, und du musst es alles noch einmal durchleben.”
    “Du bist

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