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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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ebenfalls nicht vorstellen, meiner Mutter davon zu erzählen.”
    “Vielleicht wirst du das müssen, Julie.” Er sah mich an, und das Blau seiner Augen war so klar, dass ich am liebsten hineingetaucht wäre.
    “Ich weiß”, sagte ich wieder, doch ich dachte:
Nicht, wenn ich es verhindern kann
.
    “Nun”, begann Ethan, “mit folgenden Dingen können du und ich die Untersuchung weiter voranbringen. Wir sollten uns an Neds und Isabels Freunde von damals und an alles Wichtige über sie erinnern. Es könnte sein, dass die Polizei mit ihnen sprechen will.”
    Ich lehnte mich zurück und dachte an Isabels alte Clique, die immer am Strand herumhing. “Warum können sie Bruno nicht ausfindig machen?”
    “Er ist aus der Gegend fortgezogen, seine Eltern sind tot, und seinen richtigen Namen – Bruce Walker – gibt es ziemlich häufig”, erklärte Ethan. “Doch mein Freund versicherte mir, dass sie weiter nach ihm suchen.”
    “Isabel hatte hier zwei beste Freundinnen”, sagte ich. “Pamela Durant und –”
    “Ach ja”, unterbrach mich Ethan mit einem schwärmerischen Unterton. “Unvergesslich. Sie kam nach jenem Sommer zwar nie wieder hierher, doch ich erinnere mich natürlich an sie.”
    “Aber hallo”, neckte ich ihn lächelnd. “Ich wusste gar nicht, dass du damals irgendein Interesse am anderen Geschlecht hattest, außer vielleicht daran, es unter dem Mikroskop zu betrachten.”
    Er erwiderte das Lächeln. “Mein merkwürdiges Benehmen war eben nur Tarnung”, gestand er.
    Ich lachte.
    “Wie hieß das andere Mädchen, mit dem Isabel immer zusammen war?”
    “Mitzi Caruso”, erinnerte ich mich. “Sie wohnte an der Ecke dort drüben.” Ich deutete in die Richtung des Hauses.
    “Ganz schwach kann ich mich an sie erinnern”, sagte Ethan. “Ich glaube, sie kam noch ein paar Sommer lang, doch ich bin nicht sicher. Es gab noch ein paar Jungens, mit denen Ned unterwegs war, doch ich kann mich beim besten Willen an keine Namen erinnern. Weißt du noch welche?”
    Ich schüttelte den Kopf. Die anderen Teenager aus der Clique von Izzy und Ned waren für mich ebenso gesichts- wie namenlos geblieben.
    Ethan sah auf die Uhr und erhob sich. “Hör zu”, sagte er. “Es ist ein wunderschöner Abend. Lass uns mit dem Boot hinausfahren. Danach machen wir Abendessen – ich habe eine Flunder gefangen – und reden weiter.”
    Ich sah zu seinem Dock. “Ich betrete inzwischen kein Boot mehr.”
    “Tatsächlich?” Er wirkte verblüfft. “Wenn ich dich mir vorstelle, dann immer in dem kleinen Boot von euch. Zwölf Jahre alt, immer alleine draußen auf dem Kanal, wo du herumfährst, als ob es deine Heimat wäre.”
    Es war kaum zu glauben, dass ich dieses Kind gewesen sein sollte. “Seit jenem Sommer bin ich nicht mehr Boot gefahren.”
    “Komm.” Er reichte mir die Hand. “Lass es uns versuchen. Wir können in Richtung Fluss fahren, wenn dir die Bucht Angst macht.”
    Er verstand es nicht. Es würde mir keinerlei Spaß machen, sondern nur Panik in mir wecken. “Ich möchte nicht, Ethan”, lehnte ich sein Angebot ab.
    Er merkte, dass ich es ernst meinte, und gab auf. “In Ordnung”, willigte er ein. “Wir überspringen die Fahrt mit dem Boot und kommen direkt zum Abendessen. Bist du hungrig?”
    Ich half ihm beim Kochen, wobei er ganz gelassen in der Küche hantierte. Als ich ihn musterte, erkannte ich, dass er überhaupt ein gelassener Mensch war. Und während ich nun in seinem selbst gebauten Gästebett lag, kam mir der Gedanke, dass er schon immer so gewesen war. Selbst als merkwürdiger kleiner Junge hatte es ihn nie gekümmert, was andere von ihm dachten. Er hatte sich in seiner Haut wohlgefühlt. Ich hatte weder erwartet, ihn zu bewundern, noch mich zu ihm hingezogen zu fühlen. Und doch tat ich beides.

19. KAPITEL
    J ulie
    Manchmal macht man sich Sorgen um etwas, nur um zu entdecken, dass man sich um etwas ganz anderes hätte sorgen sollen. So ging es mir an dem Morgen, als meine Befragung bei der Polizei anstand.
    Ich wachte früh auf und freute mich an dem von der Sonne gebleichten Blau in Ethans Gästezimmer und dem heimeligen Duft von Kaffee. Am liebsten wäre ich den ganzen Tag in dem Zimmer geblieben. Mein Kopf schmerzte etwas, und ich dachte daran, bei der Polizei anzurufen und den Termin abzusagen, weil ich krank sei. Ich wollte nicht noch einmal in allen Einzelheiten durchgehen, was 1962 geschehen war, denn danach würden sie mich vermutlich fragen. Wie sollte ich das ertragen? Doch

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