Der Tod soll auf euch kommen
so abseits vom Weg nach Cashel lag und von unserem Waldpfad. Wäre ich nicht aufgewacht und so beunruhigt gewesen, hätte ich das Kind nie entdeckt. Es wäre an Unterkühlung gestorben, oder an Schlimmerem … Denn durch diese Wälder streifen Wölfe und andere wilde Tiere.«
»Was hast du dann gemacht?«
»Was blieb mir übrig? Ich nahm das Baby hoch und trug es zu meiner Frau. Es war gut genährt, seine Kleider verrieten,daß es aus wohlhabendem Haus stammen mußte. Ich hatte keine Ahnung, warum es ausgesetzt worden war. Das machte uns sehr besorgt. Sicher waren diejenigen, die zu so einem Verbrechen fähig waren, noch ganz in der Nähe. Wir beschlossen deshalb, sofort weiterzuziehen und unseren Weg um Cashel herum nach Norden fortzusetzen. Erst als der Morgen dämmerte, hielten wir wieder an und schliefen.«
»Und du meinst, daß dies alles vor Mitternacht geschah? Der bellende Hund, die Rufe und das Kind, das du dann fandest?«
»Ja.«
»Das Baby war hübsch und gesund«, fügte die Frau hinzu. »Wohl kaum sechs Monate alt, mit roten Haaren über der Stirn. Der Junge war in wollene Tücher gehüllt, die sehr kostbar waren.«
Auf einmal faßte sich der Kräutersammler ein Herz.
»Sachse, weshalb fragst du uns so ausführlich danach?« fragte er entschlossen. »Wir haben dir nun so viel anvertraut, doch du hast uns nichts von dir erzählt. Wir schweigen ab jetzt, wenn du uns nicht sagst, was dich dieses Kind angeht.«
Eadulf sah sie beide ernst an.
»Das Baby ist Alchú, Sohn von Lady Fidelma von Cashel. Seine Amme wurde ganz in der Nähe von eurem Wagen ermordet. Das Kind ist seitdem verschwunden. Nun habe ich euch aufgespürt.«
Die Frau stieß einen kurzen Schrei aus und hob die Hand an ihren Mund. Ihr Mann blickte ihn ungläubig, ja fassungslos an.
»Und … Und was geht dich das Ganze an, Sachse?« fragte er zögernd und immer noch ein wenig abweisend.
»Ich bin Eadulf von Seaxmund’s Ham. Ich bin der Vater des Kindes.«
Betreten schwieg das Paar. Dann fing die Frau an zu weinen.
»Wir schwören, daß wir nichts mit dieser Sache zu tun hatten, außer dem, was wir dir schon erzählt haben«, sagte sie schluchzend.
»Was meine Frau sagt, stimmt. Die Geschichte ist wahr«, bestätigte Corb. »Wir wissen nichts von einem Mord.«
»Dann schlage ich vor, daß ihr meinen Sohn hergebt.«
Stille trat ein.
»Das können wir nicht«, rief die Frau.
»Ihr könnt das nicht?« donnerte Eadulf.
»Das Kind ist nicht mehr bei uns«, gestand der Kräutersammler mit ausdrucksloser Stimme.
Fidelma erstarrte vor Schreck in ihrem Sattel, als sich Conrí, der Kriegsfürst der Uí Fidgente, ihr näherte.
»Das trifft sich gut, Fidelma von Cashel. Wir wollten gerade nach Cashel, da sah dich einer meiner Männer, wie du in den Wald rittest. Wir waren uns ziemlich sicher, daß wir dir hier begegnen würden. Um die Wahrheit zu sagen, ich will mit dir sprechen.«
Fidelmas Herz pochte, sie war erschrocken und versuchte krampfhaft, gelassen zu wirken.
»Was führt dich nach Cashel, Conrí? Oder vielmehr zu mir?«
Das Gesicht des Kriegsfürsten blieb ernst. »Ich will einer Lüge ein Ende machen«, erwiderte er knapp.
»Einer Lüge?«
»Vor kurzem sandte dein Bruder einen Boten ins Land der Uí Fidgente, der an jedes Gasthaus am Weg eine Bekanntmachunganschlagen ließ. Darin steht, daß wir ein Kind, ein Baby namens Alchú, bei uns festhalten sollen. Wir wurden aufgefordert, einen Beweis dafür zu erbringen, daß der Knabe gesund und munter ist. Dann würde man drei unserer Fürsten freilassen.«
Fidelmas Gesicht zeigte keine Regung, als sie dem Kriegsfürsten in die Augen blickte.
»Mein Bruder Colgú von Cashel hat eine solche Bekanntmachung verbreiten lassen. Bist du gekommen, um darauf zu antworten?«
Conrís Augen wurden schmaler. »So ist es.«
Fidelmas Mund war ganz trocken. »Und wirst du mir mein Kind zurückgeben?«
»Nein. Aus dem einfachen Grund nicht, weil wir es nicht entführt haben.«
»Aber …«, setzte Fidelma völlig verwirrt an, doch der Kriegsfürst hob die Hand.
»Hör mir gut zu, Fidelma von Cashel. Ich war kaum zu meinem Volk zurückgekehrt, als dein Bote eintraf. Kein Uí Fidgente weiß etwas von dieser Sache. Du magst nichts Gutes von uns denken, da wir schon lange verfeindet sind, aber wir sind keine Ungeheuer, die Kinder als Geiseln nehmen. So wie euch Kinder heilig sind, sind sie auch uns heilig und teuer. Ich habe bei den einzelnen Stämmen Erkundigungen eingezogen.
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