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Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Titel: Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Niedlich
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zögerte einen Augenblick, aber dann stand ich auf und ließ ihn hineinfliegen. Nachdem ich meine Hand wieder herausgezogen hatte, begann der Kescher warm zu leuchten, und im nächsten Augenblick war er leer.
    „Komm“, sagte Thanatos. „Lass uns woanders hingehen.“

Kapitel 47
    Er hatte mich wieder zu unserem alten Treffpunkt an der Klippe gebracht und deutete mir, mich zu setzen. Wir sagten eine Weile nichts, und ich hing einfach nur meinen Gedanken nach. Hin und wieder schluchzte ich auf.
    „Wo ist er hin“, fragte ich ihn schließlich.
    Thanatos zuckte lediglich mit den Schultern. „Wo alle hinterher hingehen, nehme ich an.“
    „Du weißt es nicht?“
    „Ich bin noch hier, oder?“
    Die Antwort befriedigte mich nicht wirklich, aber irgendwie hatte ich auch keine große Lust nachzuhaken.
    „Geht es dir einigermaßen?“, fragte Tod.
    „Wie soll es mir schon gehen?“
    „Selbst der Umstand, dass du den Tod deines Vaters vorher gesehen hast, hat keinen Unterschied gemacht, oder?“
    Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Gar nicht. Ich wusste ja, was passiert, aber … es wirklich zu erleben ist noch etwas anderes. Ich dachte, all die Jahre mit den Visionen von den anderen Menschen hätten mich irgendwie vorbereitet, aber … aber … all die anderen Menschen waren nur …“
    „Waren nur Menschen?“, fragte Tod und schaute mich durchdringend an. „Ich glaube, deine Qualifikation für meinen Job ist größer, als du annehmen möchtest.“
    „Ich will darüber jetzt nicht reden.“
    „Keine Angst. Hatte ich nicht vor.“
    Ich schaute hinaus auf das Meer, wo sich der Mond im Wasser  spiegelte. Er schien die einzige Lichtquelle weit und breit zu sein.
    „Ob-La-Di, Ob-La-Da“, sagte Tod plötzlich.
    „Wie bitte?“
    „Ob-La-Di, Ob-La-Da. Life goes on, bra. Das Leben geht weiter.“
    „Soll mich die Weisheit der Beatles trösten?“, fragte ich.
    „Selbstverständlich. Es gibt so viel Tod und Elend auf der Welt, aber weißt du was? Das Leben geht weiter. Und gerade du solltest dich momentan mehr darauf konzentrieren. Immerhin setzt du bald neues Leben in die Welt.“
    „Anja setzt neues Leben in die Welt“, widersprach ich.
    „Gut, aber du hast ja dazu beigetragen.“
    Ein schwacher Wind strich über die Klippe, und mir wurde bewusst, dass mir langsam etwas kalt wurde.
    „Du solltest nach Hause gehen“, sagte Tod.
    „Ich weiß nicht, ob ich jetzt ein Auge zumachen kann.“
    Tod lächelte leicht. „Wusstest du eigentlich, dass „Ob-La-Di, Ob-La-Da“ eigentlich gar nicht ‚Das Leben geht weiter‘ heißt? Es heißt eher so was wie ‚Es kommt, wie es kommt‘. Aber ich finde das Lied trotzdem gut. Hat so was Lebensbejahendes.“
    Tod verwunderte mich. Seinen Beruf führte er nun schon Jahrhunderte durch, aber trotz dessen negativer, sogar unheimlicher Natur gelang es ihm, dem Ganzen noch positive Seiten abzugewinnen.
    „Warum McCartney aber am Ende noch das ‚bra’ anhängt, ist mir ein Rätsel. Einen Büstenhalter wird er doch wohl nicht meinen“, sinnierte er.
    Erneut schüttelte ich mich kurz wegen der Kälte.
    „Ich gehe nach Hause“, sagte ich.
    Tod nickte nur.
    „Danke“, schickte ich hinterher.
    Tod blickte zu mir herüber. „Gern geschehen.“
    Ich landete wieder daheim im Flur und hoffte, dass Anja nicht wach geworden war. Draußen wurde es langsam hell. Am Morgen würde ich mich nicht nur wegen des Todes meines Vaters elend fühlen, so viel stand fest.
    Leicht zitternd legte ich mich zurück ins Bett. Ich wollte mich gerade in meine Decke einwickeln, als ich bemerkte, dass Anja die Augen schläfrig aufgeschlagen hatte.
    „Wo warst du denn?“, fragte sie.
    „Nur kurz auf dem Klo“, log ich.
    Sie murmelte irgendetwas, aber sie schien schon wieder in den Halbschlaf zu sinken. Trotzdem schaffte sie es noch, meinen Arm zu greifen und zu sich herüberzuziehen. Also schmiegte ich mich an sie und fiel in einen leichten Schlaf.
    Das Telefon weckte uns wenige Stunden später. Anja nahm ab, weil ich mich partout weigerte, das Klingeln zur Kenntnis zu nehmen. Die Gute-Laune-Stimme, die Anja in der Regel am Morgen hatte, erstarb relativ schnell. Ihr Gesicht sah erschrocken aus, als sie mir den Hörer weiterreichte. Meine Mutter war kurz zuvor vom Krankenhaus angerufen worden und überbrachte nun die Nachricht, dass mein Vater tot war.
    Anja weinte fast mehr als ich, denn obwohl ich natürlich immer noch über meinen Vater nachdachte und trauerte, hatte ich bereits in der Nacht

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