Der Tod und der Dicke
diejenigen, die er jemals gezwungen war zu äußern, insbesondere jenes nach einem unerschöpflichen Vorrat an Single Malt oder jenes mit der Bitte, ein Blitz möge die rechtschaffene Antwort sein auf so manche ärgerliche Idiotie seitens der Behörden, immer unbeantwortet geblieben waren. Aber jetzt glaubt er die Stimme zu erkennen. Klar, diese rauhen Kehllaute können nur aus der rauch- und whiskykorrodierten Kehle seines alten Kumpels Joe Kerrigan kommen. Wenn jemand eine Antwort verdiente, dann der gute, alte Joe.
Er konzentriert alle ihm noch verfügbaren Kräfte, um eine angemessene Reaktion zu finden.
Vater Joe hielt in seinem Gebet inne. Er glaubte eine Bewegung des gewaltigen Fleischberges auf dem Bett bemerkt zu haben. Ja, er hatte recht. Etwas rührte sich dort. Großer Gott, dachte er. Kann es sein, dass du ein einziges Mal meine Gebete umgehend erhörst?
Unter dem Laken waberte ein Geräusch, das den gelehrten Vater Joe an John Aubreys Bericht über jenen Geist denken ließ, der mit »seltsamem Duft und einem höchst melodiösen Tremolieren« verschwand.
»Gut, du dicker Mistkerl«, sagte er. »Hab schon kapiert. Aber Gott segne dich trotzdem.«
4
Rote Milben und grüne Blattläuse
Pascoe aß mit Dave Freeman zu Mittag.
Es ging auf Sandy Glenisters Vorschlag zurück.
»Nachdem Dave als Verbindung zu mir agiert, wäre es an der Zeit, dass Sie beide sich etwas besser verstehen. Sie haben vieles gemeinsam«, hatte sie gesagt.
Also war ihr die gegenseitige Antipathie aufgefallen, dachte sich Pascoe. Einen scharfen Blick, den hatte sie, aber was er mit Freeman gemeinsam haben sollte, konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen.
Möglicherweise aber war es auch nur sein eigener scheeler Blick auf alles, was mit der Lubjanka zu tun hatte.
Als er und Freeman sich von der Theke der Angestelltenkantine entfernten und ihre Tabletts abstellten, fiel ihm auf, dass sie nahezu die gleiche Auswahl getroffen hatten. Vielleicht hatte Glenister doch recht.
Oder Freeman hatte sich nur bewusst die gleichen Sachen aufgeladen wie er …
Er fing schon wieder damit an!, dachte er sich.
Als sie dann aber in ihrem Salat stocherten, zeigte sich, dass sich Freeman wirklich um eine Annäherung bemühte.
Er sprach freimütig mit Pascoe über die Mittel der CAT und die schnellsten Möglichkeiten, diese anzuzapfen, und lud zu Fragen ein. Pascoe erkundigte sich nach Tim und Rod.
»Ich würde die Leute, mit denen ich zusammenarbeite, gern kennen«, sagte er.
»Ich auch«, lächelte Freeman. »Ich schicke Ihnen später meinen Lebenslauf. Okay, Tim und Rod …«
Als er mit seiner Erzählung fertig war, hatte sich Pascoes ursprüngliches, bereits zu diesem Zeitpunkt beträchtlich modifiziertes Bild der beiden als junge Praktikanten vollständig in Luft aufgelöst. Freeman sprach von ihnen als gleichberechtigte Kollegen, die mit beiden Beinen fest auf der Karriereleiter des Geheimdienstes standen.
Tim Chetwynd war siebenundzwanzig Jahre alt, verheiratet und hatte drei kleine Kinder. Rod Loxam war dreiundzwanzig, unverheiratet, aber selten unliiert.
»Falls«, sagte Freeman trocken, »die Art seiner Beziehungen als Liaison bezeichnet werden kann. Er ist wohl das, was man umgangssprachlich als Aufreißer bezeichnet. Unter dem Kantinenpersonal gilt er, soweit ich weiß, als heißer Feger.«
»Großer Gott«, sagte Pascoe und rief sich das Bild des jungen Mannes vor Augen. Liebenswürdig, attraktiv, ja, aber ein Aufreißer … ?
»Stellen Sie ihm Ihre Frau vor, und Sie werden sehen, was ich meine«, sagte Freeman, dem Pascoes Zweifel nicht entgangen waren. »Ein Talent, das in unserer Branche durchaus seine Vorteile hat, und sei es auch nur, weil langjährige Beziehungen häufig schwerwiegende Probleme verursachen.«
»Tim scheint damit klarzukommen.«
»Es war eine innerbetriebliche Liebschaft«, sagte Freeman.
»Schön, wenn so was passiert, aber im Moment sind wir mit verfügbaren Frauen etwas schwach ausgestattet, es sei denn, die liebe Sandy findet Ihr Gefallen. Tim kam auf dem konventionellen Weg zu uns: Universität, wurde von einem Talentspäher entdeckt und angeworben, bevor er seinen Abschluss machte. Rod ging von der höheren Schule ab, schlug sich dann ein paar Jahre mit Gelegenheitsarbeiten durch, fand einen Job bei einer Gartenbaufirma, die sich um Lukasz’ Garten kümmerte …«
»Komorowski? Ja, er hat mir erzählt, dass das Gärtnern sein Hobby ist.«
»In der Tat?« Freeman betrachtete
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