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Der Tod und der Dicke

Der Tod und der Dicke

Titel: Der Tod und der Dicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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abgestellt gewesen wären. In seinem Zimmer setzte er sich und versuchte alles zu durchdenken.
    Er hatte eine Linie überschritten, und das war es. Die Frage lautete: War er draußen, weil er einige ihrer verfluchten, bescheuerten Regeln gebrochen hatte oder weil er dem Templer-Maulwurf allmählich zu nahe kam? Nicht, dass es irgendeine Rolle gespielt hätte. Er hatte alles getan, was er konnte. Hätte er subtiler vorgehen sollen? Vielleicht. Aber wurde man mit verbundenen Augen in eine Schlangengrube geworfen, dann war es doch sinnvoller, seiner Intuition zu vertrauen und geradewegs auf den vermeintlichen Ausgang zuzustürmen, statt herumzukriechen und vorsichtig nach einem Ausweg zu tasten.
    Er war versucht, Ellie anzurufen, argwöhnte aber, dass das Zimmer verwanzt war. Außerdem, wenn er sich so spät noch meldete und von Schlangengruben und Augenbinden faselte, würde er sie nur in ihrer Angst bestärken, dass er auf dem besten Weg in die Klapsmühle war.
    Vielleicht hatte sie recht, und er hatte keinerlei Ermittlungen betrieben, sondern war nur wie ein kopfloses Huhn herumgeflattert und hatte in seinem Aberglauben die richtende Gottheit ablenken wollen, die Andy Dalziels Leben in ihren Waagschalen hielt.
    Er öffnete die Minibar. Seine Abneigung gegen den verschwenderischen Umgang mit Steuergeldern hatte die bisherige Nachfrage auf ein Minimum beschränkt, jetzt aber glaubte er sich verdient zu haben, was Dalziel wahrscheinlich ein wee deoch an doris genannt hätte. Er zog zwei Miniaturflaschen Single Malt heraus und schüttete sie in ein Kelchglas.
    Sie gingen glatt runter. Er füllte das Glas mit zwei weiteren nach. Damit war der Whiskyvorrat der Minibar erschöpft.
    Er würde auf Cognac oder Likör umsteigen müssen.
    Was hätte Andy an einem solchen Scheideweg getan? Wahrscheinlich das ganze Sammelsurium in einen Krug geschüttet und ihn mit ins Bett genommen.
    Jedem das Seine. Er stellte das Glas auf den Nachttisch, ging ins Bad, duschte sich, dann stieg er ins Bett.
    Innerlich war er noch immer zu aufgewühlt, um mit baldigem Schlaf rechnen zu dürfen. Der Alkohol sollte sein Übriges tun, in der Zwischenzeit aber brauchte er ein anderes Schlafmittel.
    Blut im Sand lag neben dem Whiskyglas.
    Er schlug es auf und begann zu lesen, und eine Weile lang schien es die gewünschte Wirkung zu entfalten.
    Er las ein Kapitel, in dem nicht viel passierte.
    Shacks Patrouille war losgeschickt worden, um eine feindliche Nachschublinie zu überwachen. Sie fanden sich in einem leeren Wüstenabschnitt wieder und observierten eine leere Straße, auf der sich vierundzwanzig Stunden lag nichts tat. Das Kapitel strotzte vor Authentizität verleihenden Akronymen und Jargonausdrücken, und die Figuren schienen darin zu wetteifern, wer der Langweiligste und Beschränkteste war. Shacks auktoriale Erzählstimme war bemüht, darauf hinzuweisen, wie öde und ermüdend das Leben manchmal sein konnte, selbst in einer so »glanzvollen«
    Einheit wie dem SAS. Pascoe hatte das Gefühl, dass er mit der Demonstration dessen übertrieb, aber für einen Leser, der Schlaf suchte, war es perfekt.
    Das Kapitel endete damit, dass sie ihre Sachen packten und sich zum Treffpunkt mit dem Chinook aufmachten, der sie zur Basis zurückbringen sollte. Dann kam ein Funkspruch, der ihnen befahl, an Ort und Stelle zu bleiben und weitere Befehle abzuwarten. Ein Grund wurde nicht genannt, was niemanden überraschte. Funksprüche waren immer so kurz wie möglich gehalten, um dem Feind die Ortung zu erschweren.
    Schließlich erfuhren sie die schlechten Nachrichten. Ihr Hubschrauber war auf dem Weg zur ihrem Treffpunkt abgeschossen worden. Ein Aufklärungsflugzeug hatte die bruchgelandete Maschine gesichtet, die noch mehr oder minder intakt schien, von der dreiköpfigen Besatzung allerdings fehlte jede Spur. Dies wurde bestätigt, als die SAR-Helikopter dort eintrafen. Allerdings fand sich Blut in der Kabine. Besatzung und sämtliche tragbaren Ausrüstungsgegenstände waren verschwunden, was darauf hindeutete, dass die Männer gefangen genommen worden waren. Die Iraker hätten sich nicht die Mühe gemacht, Leichen mitzunehmen.
    Die einzige bedeutsame Ortschaft im Umkreis von fünfzig Kilometern war ein größeres Dorf, das von einer SAS-Patrouille zwei Wochen zuvor ausgekundschaftet worden war.
    Man hatte keinerlei Anzeichen einer feindlichen Besatzung gefunden. Vom abgeschossenen Hubschrauber führten Spuren zu diesem Dorf, und als eine der SAR-Maschinen

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