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Der Tod und der Dicke

Der Tod und der Dicke

Titel: Der Tod und der Dicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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geplant. Es tut mir ja so leid.«
    »Gut, dann ist es ja in Ordnung, solange es Ihnen leidtut«, sagte Pascoe mit unterdrückter Heftigkeit. »Aber nur weil es Ihnen leidtut, wird Andy nicht zurückkommen, und weitere Morde werden auch Ihren Bruder nicht mehr zurückbringen. Was haben Sie sich dabei nur gedacht, um Gottes willen?«
    »Ich war … Ich weiß es nicht … Ich war es ihm schuldig … die Blutschuld … Ich war es ihm schuldig!«
    Wieder legte er den Kopf zwischen die Hände, als versuchte er ihn vor Pascoes kaltem, starrem Blick zu verbergen.
    Ich war es ihm schuldig.
    Der Satz hallte durch Pascoes Gedanken.
    Daraus sprachen mehr als nur simple Rachegefühle, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Kentmore hatte nichts Alttestamentarisches an sich, es fanden sich keinerlei Anzeichen italienischen Gefühlsüberschwangs, noch nicht einmal einer keltischen Pflege alter Ressentiments. Er war durch und durch Engländer … und wahre, blaublütige Engländer wurden durch Verlust gelähmt … Und durch Schuld mit Tatkraft erfüllt!
    Ich war es ihm schuldig.
    Nicht einfach nur Rache, sondern Sühne!
    Es musste etwas Sexuelles sein … Englische Schuld hatte immer etwas Sexuelles an sich.
    »Es war Kilda, nicht wahr?«, sagte Pascoe.
    »Ja. Kilda.«
    Er nahm die Hände weg, ließ den Kopf gesenkt, den Blick auf die ruinierte Tischdecke fixiert, als er leise, mit rauher, monotoner Stimme zu sprechen begann.
    »Sie war in jener Nacht, als das Telefon klingelte, mit mir im Bett. Youngman erzählte mir, er hätte es zunächst mit der Nummer im Torhaus versucht. Dann, als dort niemand ranging, hatte Chris ihn gebeten, bei mir anzurufen. Youngman sagte, er habe sich nur noch durch reine Willenskraft am Leben gehalten. Er hätte schon längst tot sein sollen, aber er wollte unbedingt noch mit Kilda reden, bevor er sterben musste. Stattdessen sprach er mit mir. Und Kilda lag neben mir und drückte ihre warme, nackte Haut an mich. Und er trug mir auf, ihr zu sagen, dass er sie liebt, und ich wollte ihm sagen, sie ist hier, und ihn ihre Stimme hören lassen, aber ich konnte nicht, ich konnte meinen kleinen Bruder doch nicht wissen lassen, dass ich seine Frau vögelte, während er starb.«
    Pascoe spürte einen plötzlichen Anflug von Mitgefühl, das er schnell wieder unterdrückte. Mitgefühl stand heute nicht auf der Agenda.
    »Wie viel davon wusste Youngman?«
    »Keine Ahnung. Ich habe es ihm nie erzählt. Von Kilda weiß ich das nicht. Er kam uns besuchen, als er wieder zurück war. Wahrscheinlich einfach nur eine Gefälligkeit, vielleicht sogar sein Pflichtgefühl, ein Soldat, der auf einen anderen aufpasst. Er kam dann mehrere Male. Wir wollten es so.
    Manchmal traf er uns beide an, manchmal einzeln. Allmählich rückte er immer mehr mit den Einzelheiten heraus, was Chris angetan worden war. Ich weiß nicht, welche Motive ihn ursprünglich zu den Besuchen bewegt haben, aber irgendwann versuchte er wohl unsere Bereitschaft auszuloten, ob wir für die Templer rekrutiert werden könnten.«
    »Und Sie haben sich mit fliegenden Fahnen anwerben lassen«, sagte Pascoe. »Maurice, was zum Teufel haben Sie sich dabei nur gedacht? Das ist doch alles verrückt! Das steht auf einer Stufe mit Fackelumzügen und der Mythologie der Herrenrasse! Nach allem, was ich von Ihnen weiß, haben Sie damit doch nicht das Geringste zu tun!«
    Er hatte den richtigen Ton angeschlagen. Kentmore hob den Kopf und sah ihn unverwandt an.
    »Da haben Sie recht«, sagte er. »Ich war wohl ziemlich neben mir. Es war Kilda. Nein, ich gebe ihr nicht die Schuld.
    Nach Chris’ Tod hat sie sich sehr verändert. Sie begann zu trinken und aß praktisch nichts mehr. Ohne Alkohol hätte sie sich wahrscheinlich zu Tode gehungert. Das Letzte, was Chris mir sagte, war: ›Kümmere dich um Kilda.‹ Und bald darauf dachte ich mir, so, wie ich ihn hintergangen hatte, als er noch am Leben gewesen war, so ließ ich ihn jetzt im Stich, nachdem er tot war. Dann begann sich alles zu verändern.«
    »Als Youngman auftauchte?«, sagte Pascoe.
    »Ja. Nicht gleich, aber mit der Zeit, als er uns relativ regelmäßig besuchte, da schien sie sich zu fangen. Sie hörte nicht mit dem Trinken auf, aber immerhin nahm sie wieder genügend Nahrung zu sich. Er erwähnte das Templer-Thema ihr gegenüber zuerst, sie erzählte mir dann davon. Ich war wütend, und als sie das sah, gab sie sich zugeknöpft. Unser Verhältnis war seitdem angespannt. Wir haben … es nie wieder getan. Es war uns beiden

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