Der Tod und der Dicke
Sir«, sagte Glenister.
»Genau. Hector. Nach allem, was ich gelesen habe, wäre eine telefonische Zeitansage aufschlussreicher gewesen. ›Irgendwie komisch und nicht so ein Schwarzer‹, ist das nicht der Kern seiner Aussage?«
Gelächter war zu vernehmen. Pascoe wurde bewusst, dass aus ihrem vertraulichen Plausch eine öffentliche Veranstaltung geworden war. Er spürte Verärgerung in sich aufsteigen. Kaum zwei Minuten hier, und schon musste er Hector gegenüber einem Haufen Speichellecker verteidigen, die sich einem provinziellen Wald-und-Wiesen-Bobby augenscheinlich überlegen fühlten.
Es war an der Zeit, dieselben Grenzpfähle in den Boden zu rammen, die er auch Glenister gegenüber bereits aufgestellt hatte.
»Bei allem Respekt, Sir«, sagte er betont freundlich, »wie ich bereits der Superintendent gesagt habe, würde ich es für dumm halten, Constable Hectors Indizien zu unterschätzen. Es mag stimmen, in seinem Fall dauert es etwas länger, bis sich das Bild zu einem Ganzen zusammenfügt, aber was er bemerkt, bleibt haften und wird letztlich in brauchbarer Form erscheinen. Was bislang von ihm kam, hat sich als richtig herausgestellt, nicht wahr? Und mit Verlaub, geht nicht das meiste, was wir über die Ereignisse an jenem Tag in der Mill Street wissen, auf Hector zurück und nicht auf die CAT?«
Diese Verteidigungslaudatio, die im Black Bull seine Kollegen völlig aus der Bahn geworfen hätte, brachte das Publikum hier zum Schweigen. Oder vielleicht wartete es auch nur darauf, wie Bloomfield mit diesem anmaßenden Neuankömmling verfahren würde, der ihn soeben als dumm und seine Einheit als ineffizient bezeichnet hatte.
Der Commander schenkte Pascoe sein Alastair-Sim-Lächeln, das zu verstehen gab, er wisse wesentlich mehr, als er jetzt zu äußern bereit war.
»Das klingt sehr beruhigend, Peter«, sagte er. »Oder sind Sie nur loyal?«
Niemals den Schwanz einziehen, lautete des Dicken Rat.
Vor allem dann, wenn man sich seiner nicht sicher ist!
»Loyalität«, antwortete Pascoe mit fester Stimme, »hat damit nichts zu tun, Sir. Treiben Sie einen Verdächtigen auf, und ich bin mir sicher, Sie können sich auf Hector verlassen, dass er ihn identifizieren wird.«
»Das freut mich zu hören. Aber jetzt, denke ich, ist es an der Zeit, dass die Show beginnt.«
Er erhob sich und ließ seinen Blick über die Reihen schweifen.
»Seien Sie alle begrüßt«, sagte er. »Was Sie jetzt gleich zu sehen bekommen, ist ein Video, das heute von AI-Dschasira ausgestrahlt wurde. Es ist nicht schön, aber es wird nichts nützen, wenn Sie die Augen schließen. Manche unter Ihnen werden es sich viele Male ansehen müssen.«
Er setzte sich, und das Licht ging aus.
Das Video dauerte etwa sechzig Sekunden, aber selbst für jene, deren Sinne durch ihre mörderische Arbeit sowie die Berieselung durch jene plastischen Bilder abgestumpft waren, die nahezu jeden Abend in den Nachrichtenprogrammen gezeigt wurden, von den computergenerierten Schrecken moderner Kinofilme ganz zu schweigen, schien sich die unversöhnliche Minute ewig hinzuziehen.
Es gab keinen Ton. Jemand sprach »Großer Gott!« in die Stille hinein.
Nach einer langen Pause erhob sich ein Weiterer aus der ersten Reihe. Um die fünfzig, schütter werdendes Haar, Jackett mit Lederflicken an den Ellbogen, Wollkrawatte mit quadratischem Ende, Hush Puppies an den Füßen; er sprach mit der abgehackten Schnelligkeit eines nervösen Schulmeisters, der den Segen aufsagen will, bevor er vom Besteckklappern unterbrochen wird. Laut seiner Plakette hieß er Lukasz Komorowski.
»Es handelt sich ohne Zweifel um Said Mazraani. Sein Leichnam ist heute Morgen mit abgetrenntem Kopf in seiner Wohnung gefunden worden. Vorläufige Untersuchungen weisen auf drei Schläge hin, genau wie im Video zu sehen. Stuhl, Teppich und Hintergrund der Sequenz stimmen exakt mit dem Ambiente der Wohnung überein. Daneben wurde eine zweite Leiche gefunden. Die eines Mannes namens Fikri Rostom, den, wie Sie gleich hören werden, Mazraani als seinen Vetter vorstellte. Rostom, Student an der Universität Lancaster, wurde in den Kopf geschossen.«
Er hielt inne, um Atem zu holen.
»Was bedeuten die Schriftzeichen?«, fragte Glenister.
»Sie bedeuten Auge um Auge, Zahn um Zahn, Hand um Hand, Fuß um Fuß, Brandmal um Brandmal, Beule um Beule, Wunde um Wunde.«
Wieder hielt er inne, diesmal wie ein Schulmeister, der auf die Exegese wartete. Pascoe wusste, es stammte aus der Bibel,
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