Der Tod und der Dicke
in diesem Fall zwar äußerst unwahrscheinlich, doch hielt das einige »Experten« nicht davon ab, genau solche Ängste zu schüren.
Dann endlich kam der Vorfall in der Fidler-Show. Anders als bei den vorangegangenen Themen wurde auf sachliche Art und Weise davon berichtet, man sparte sich jeglichen Kommentar und brachte überraschend wenig Bildmaterial.
Ich bin auf dem falschen Sender!, sagte sich Pascoe.
Während der zurückliegenden Jahrzehnte hatte die große, einst so phlegmatische britische Öffentlichkeit gelernt, dass Gelassenheit und innere Stärke Tugenden in der Not sind, einem aber kein Geld aufs Konto bringen. Mittlerweile gab es unzählige Bürger, die zwar Schwierigkeiten haben dürften, den Begriff psychologisches Trauma zu buchstabieren, aber um dessen monetären Wert ganz genau wussten. Bei einem Dünkirchen im einundzwanzigsten Jahrhundert würden die Geretteten der Reihe nach als Erstes nicht nach Hause oder ins Krankenhaus eilen, sondern zu den Kanzleien ihrer Anwälte, um sich dort mit ihren Geliebten zu treffen, die es kaum erwarten konnten, Schadensersatzforderungen einzureichen.
Die Anwälte des Senders würden also geraten haben: Spielt es herunter, oder euch werden nachher umso höhere Rechnungen präsentiert!
Die Konkurrenz jedoch sollte an solche zurückhaltenden Beweggründe nicht gebunden sein.
Er schaltete auf einen anderen Nachrichtensender um und stellte fest, dass er recht hatte.
Neben der Zurückhaltung mangelte es aber ebenfalls an Bildmaterial, was sie jedoch bis zu einem gewissen Grad zu ihrem Vorteil nutzten und mit Augenzeugenberichten überspielten, womit sie den Eindruck erweckten, der Vorfall sei der Schießerei am O.K. Corral gleichgekommen.
Genau das entsprach auch Pascoes Gefühl, obwohl er es besser wusste.
Die nächsten Stunden zogen sich hin. Erneut versuchte er Ellie zu erreichen, aber entweder war ihr Handy ausgeschaltet oder der Akku leer. Vermutlich war sie bereits auf dem Nachhauseweg, andernfalls hätte sie sicherlich eine Möglichkeit gefunden, ihn zu informieren.
Als das Telefon klingelte, war er überzeugt, es müsse Ellie sein. Was er jedoch hörte, war Wields Stimme.
»Ist Ellie schon da?«, fragte er.
»Nein. Aber sie sollte unterwegs sein.«
»Gut. Ich dachte mir, es interessiert dich vielleicht, was ich von meinem Kumpel in Middlesbrough gehört habe. Sie haben alles auf Band. Die Kameras haben natürlich weitergefilmt, nachdem die Übertragung unterbrochen wurde. Dieser Typ, Kentmore, war der Held der Stunde, er hat sich wie der Blitz zwischen Sarhadi und die Pistole geworfen und die Frau entwaffnet. Und natürlich hat er nicht gewusst, dass es keine richtige Pistole war. Also ein richtiger Held.«
»Wofür wir ihm alle dankbar sind. Was gibt’s über die Frau?«
»Ihr einziger Sohn hat in London gearbeitet. Wurde Opfer bei den U-Bahn-Anschlägen und ist drei Monate später im Krankenhaus gestorben. Seitdem gehört jeder, der östlich von Spurn Head wohnt, für sie zum Feind. Außerdem eine Voice-Leserin.«
Als sich in der Pro-Sahardi-Kampagne alle Blätter den Bradford News anschlossen, war es natürlich unvermeidlich, dass die Voice ausscherte.
Zufall? Vielleicht doch nicht!, hatte eine der Schlagzeilen über dem Foto einer Jugend-Fußballmannschaft mit Sarhadi und Raza gelautet, deren Köpfe eingekreist waren. Einmal Weggefährten, immer Weggefährten?, hatte es weiter im Text geheißen. Kein Rauch ohne Feuer? Und auf diesen fadenscheinigen Grundlagen baute die Zeitung einen nachweisbaren Fall auf, der Antworten fordert!
Als bei der Presse-Beschwerdestelle Klagen eingereicht wurden, verschanzte sich die Voice hinter den Fragezeichen und bot einen einzigen Satz als Entschuldigung an, der in kleinster Schrifttype über den Kleinanzeigen erschien.
»Also nur eine arme, geistig zerrüttete Frau, die sich einen Sündenbock gesucht hat?«, fragte Pascoe.
»Sieht so aus. Man könnte sich fragen, wie sie es geschafft hat, in die erste Reihe zu kommen. Alle drei auf dem Podium waren sich einig, dass sie von Anfang an etwas aufgewühlt gewirkt hätte. Fidler meinte, er hätte nichts bemerkt, einer seiner Produzenten aber gab zu, sie würden das Publikum vor der Sendung mit Überwachungskameras beobachten und dann entscheiden, wer vorne sitzen darf.«
»Wenn man also einen leicht irren Blick und Schaum vor dem Mund hat, kommt man in Reichweite der Studiogäste? Toll. Sie sollten den Scheißkerl feuern!«
»Mach dich nicht lächerlich,
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