Der Tod und die Diebin (Bündnis der Sieben) (German Edition)
Mutter geerbt. Beneidenswert. Koljas Gesicht war kantiger. Er mochte an sich nur seinen Mund. Alles andere erinnerte ihn auf eine schmerzliche Weise daran, Sohn seines Vaters zu sein.
Wortlos drehte sich Konstantin um und führte Fee in den Stall. Kolja folgte ihm und lehnte sich an einen Balken. Sein Rücken schmerzte. Er war lange nicht mehr ausgeritten. Trotzdem hätte es ihn nicht derart erschöpfen dürfen.
Zärtlich rieb sein Bruder das Fell trocken, redete ununterbrochen leise und freundlich mit dem Tier. Hatte er selbst je solche Worte gehört?
„Was macht dein Studium? Liegt dir Architektur?“
Konstantin sah nur kurz zu ihm. In seinem Blick lag Abscheu. Kolja schnürte es das Herz ab. Konstantin durfte ihn nicht hassen. Er musste mit ihm lachen, mit ihm trinken und schmutzige Lieder singen, bis sie beide vergaßen, aus welcher Familie sie stammten. Warum hatte er ihn dominieren wollen? Er liebte ihn mehr als sein eigenes Leben.
Liebevoll tupfte Konstantin die Wunden ab. Die Haut der Stute zuckte trotzdem. Kolja ging einen Schritt auf seinen Bruder zu. Sofort wurde Fee nervös und tänzelte. Mit zurückgelegten Ohren sah sie ihn starr vor Angst an. Oder war es Hass, wie in Konstantins Blick?
„Geh zurück. Du hast genug angerichtet.“ Die Hand auf dem Pferdemaul strahlte Ruhe aus, obwohl in der Stimme blanker Zorn schwang.
„Es tut mir leid, Bruder.“ Kein Hass, bitte kein e Abscheu. Er hatte Konstantin nicht ein einziges Mal gehasst, dabei hatte sein Inneres so oft vor Neid gebrannt. Mit zusammengezogenen Brauen arbeitete Konstantin weiter, als hätte er ihn nicht gehört. L angsam näherte sich Kolja, damit das Pferd ruhig blieb. Er legte seine linke Hand auf Konstantins rechte, die den Lappen gleichmäßig über die Seite der Stute rieb. Konstantin erstarrte in der Bewegung.
„Wo ist der Ring?“ Sein Blick blieb ungläubig auf Koljas Finger geheftet.
„Eine britische Schlampe mit russischem Namen hat mich übertölpelt und ihn mir gestohlen.“
Endlich drehte sich Konstantin zu ihm. Der Schrecken in seinen Augen verstärkte Koljas Angst.
„Vater kommt gleich.“
„Ich weiß. Deswegen bin ich hier.“
Konstantin schluckte. „Du darfst ihm so nicht unter die Augen treten.“
Wie im Affekt legte Konstantin ihm die Hand auf die Schulter. Kolja zog seinen Bruder an sich, drückte sein Gesicht in die Fülle heller Haare, die nach Stroh und Pferd rochen. „Hilf mir.“
Für ein paar wenige Herzschläge fühlte er Geborgenheit. Dann machte sich Konstantin von ihm los.
„Du wartest draußen. Wenn ich fertig bin, komme ich und begleite dich zu ihm.“
Unter der Strenge der Stimme schwang Mitgefühl gepaart mit einer Angst, die Kolja seine gesamte Kindheit über nie verlassen hatte. Er konnte nur nicken. Dann trat er vor die Stalltür und atmete eisige Winterluft. Wie wundervoll die Sterne leuchteten. Ganz anders als in Moskau, wo sie kaum zu sehen waren. Konnte er sich in den Anblick vollkommener Schönheit verlieren und nie wieder h in ausfinden?
Das Motorengeräusch des Hummers quälte die Stille der Nacht. Kolja trat einen Schritt zurück, um nicht von seinen Eltern gesehen zu werden. Als der Jeep im Hof ausrollte, knirschte der Schnee unter den Reifen. Koljas Atem gefror. Hoffentlich hatte sein Vater den Nebel nicht bemerkt, der sich hinter dem Windfang hervorwagte.
Der Wolfspelz seines Vaters reichte bis auf den verschneiten Boden. Ramuell schritt um den Wagen, um Sofia Grigorjew die Tür zu öffnen. Beim Aussteigen küsste sie ihn zum Dank. Kolja hatte nie erlebt, dass seine Eltern miteinander auch nur ein lautes Wort gewechselt hätten. Welcher Art musste eine Liebe sein, die eine Frau an einen Mann wie Ramuell band?
Sie redeten leise miteinander, während Ramuell bunte Tüten mit sicherlich wertvollsten Weihnachtsgeschenken von der Rückbank nahm. Ramuell schaffte es, seinen Sohn bis aufs Blut zu demütigen, um ihn anschließend mit exquisiten Aufmerksamkeiten zu überhäufen. Es gab keinen Weg rechts und es gab keinen Weg links. Es gab nur den, den Ramuell in die Wildnis dieser Welt geschnitten hatte. Wer ihm nicht folgte, war verloren.
Kolja spürte die Hand seines Bruders im Rücken. „Lass den beiden Zeit, sich umzuziehen und ein Glas Port zu trinken. Nur eins. Dann gehen wir zu ihnen.“
Ein zweites Mal konnte er Konstantin nicht um Hilfe anflehen, doch die Worte drängten in seinem Mund. Sie wollten ausgesprochen werden, damit er Trost empfangen
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