Der Tod und die Diebin (Bündnis der Sieben) (German Edition)
seinen Ring am Finger. Seit seiner Geburt begleitete er ihn, wie er jedes Mitglied der alten Familien begleitete. Es war erschreckend , ansehen zu müssen, welche Auswirkungen sein Fehlen hatte. Koljas scharf geschnittenes Gesicht war eingefallen und glich einem Schädel. Die ebenholzfarbenen Haare waren weit über die Schläfen hinaus ergraut und sein ehemals sinnlicher Mund war farblos und wirkte zu schmal.
Der gellende Pfiff des Piloten gab das Zeichen, dass der Jet starten konnte und Kolja schälte sich aus der Decke. Konstantin reichte ihm seinen Arm und half ihm beim Aufstehen.
„Und ich soll dich wirklich nicht begleiten?“
Kolja schüttelte den Kopf. „Es ist nicht deine Aufgabe, meine Ehre wiederherzustellen.“
Ilja und Lew hievten einen Schrankkoffer in den Laderaum. Lew wischte sich über die Stirn. Er sah ungewöhnlich blass aus.
„Sie nimmst du mit und meine Hilfe schlägst du aus.“
Kolja lächelte matt. „Lew und Ilja sind dressierte Ratten. Nützlich und leicht zu ersetzen. Du bist mein Bruder. Wenn ich zurück bin, will ich dich in meine Arme schließen, bevor ich Ramuell und Sofia meine Aufwartung mache.“
Konstantin brachte es nicht über sich, die Hand zu küssen, die gestern seine Stute misshandelt hatte. Kolja bemerkte sein Zögern. Sein Blick machte ihm keine Vorwürfe, bat aber auch nicht um Verzeihung. Kolja war wie sein Vater, herrisch und unberechenbar. Im Stillen war Konstantin dankbar, dass nicht er das Los seines großen Bruders teilte, der eines Tages den Familien vorstehen musste.
„Sag Ramuell, wenn ich zurückkomme, werde ich den Kadaver der Diebin vor seinen Augen zerlegen und Stück für Stück an die Hunde verfüttern.“
Es war falsch, für die Frau Mitgefühl zu empfinden, die seinem Bruder so viel Leid angetan hatte. Doch seit gestern Nacht konnte er nicht anders. Sein Vater hatte einen Dämon gerufen. Konstantin hatten sich alle Haare aufgestellt. Es war das erste Mal, dass er an einer Beschwörung mitgewirkt hatte . E r wollte es nie wieder tun.
„Du bist mein Zuhause, Konstantin.“ Mit unsicherer Hand strich Kolja über seine Wange. Die Adern traten blau darauf hervor. „Wenn ich an unser Elternhaus denke, sehe ich nur Schatten und Kälte. Du bist das einzige Licht in meiner Finsternis.“ Er nickte der Stewardess zu, dass sie die Bordtür schließen sollte. „Was auch geschieht, bleibe in Twer. Versprich mir das.“ Kolja sah ihn eindringlich an.
„Wenn du sicher bist, es allein zu schaffen, warum sollte ich Twer verlassen?“
Kolja küsste ihn auf die Stirn. „Ich bin nicht allein.“ Für einen Moment erschien derselbe unheimliche Ausdruck in seinem Blick, den er gestern bei Vater gesehen hatte.
„Erwarte meine Nachricht.“
Schon waren es wieder müde alte Augen, die ihn schwermütig anlächelten. Konstantin musste es sich eingebildet haben. Er wartete, bis d as Flugzeug abhob. „Zum Gut.“
Der Chauffeur nickte und legte die kurze Strecke zwischen Star t bahn und Landsitz in wenigen Minuten zurück. Wäre Kolja nicht schwach gewesen, hätten sie laufen können.
Aus dem Pferdestall klang aufgeregtes Wiehern. Die Stalltür schwang in den Angeln, wo war Sascha? Wie konnte er die Tiere dem eisigen Wind aussetzen? Fee tänzelte in ihrer Box. Khan und Semiramis ebenso. Die Tröge waren leer, der Stall unausgemistet. Schubkarre und Harke standen an der Wand. Von Sascha war nichts zu sehen. Verdammter Knecht! Wehe, er würde ihn schlafend im Bett finden.
„Sascha!“ Der Hof blieb leer, bis auf den Chauffeur, der das eingefrorene Garagentorschloss auftaute. Aus dem Gesindetrakt kam kein Laut. Das Personal war längst auf den Beinen und im Haus beschäftigt. Saschas Kammer stand auf. Das Bett war unberührt. War der Kerl im Suff irgendwo eingeschlafen? Dann wäre er erfroren. Die Nächte klirrten vor Kälte.
Auf der Treppe kam ihm Galina entgegen. Die Daunenjacke spannte über ihrer üppigen Brust. Als sie seinen Blick bemerkte, lächelte sie verführerisch.
„Du warst gestern Nacht nicht in meinem Bett. Ich habe dich vermisst, süßer Konstantin.“ Sie schleuderte ihre blonden Haare über die Schultern. „Zwischen meinen Beinen ist es warm und gemütlich. Egal , wie kalt die Nacht ist.“
„Hast du Sascha gesehen?“
Galina zog eine Schnute. „Was willst du von Sascha? Er ist grob, unhöflich und verschwiegen. Sehe ich ihn, bekomme ich sofort schlechte Laune.“
Das mochte sein, aber er war ein guter Knecht. Jedenfalls für die
Weitere Kostenlose Bücher