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Der Tod wartet im Netz (Die besten Einsendungen zum Agatha-Christie-Krimipreis 2011)

Titel: Der Tod wartet im Netz (Die besten Einsendungen zum Agatha-Christie-Krimipreis 2011) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordelia Borchardt und Andreas Hoh
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mit Pfeil und Bogen, Lanze und Schwert, auf Kampfwagen, hoch zu Ross und schließlich mit modernster Technologie gekämpft. Nun war er gespannt, was ihn auf dem letzten Level erwartete.
    »Lieber Rudolf«, hieß es in der Botschaft, die auf dem Bildschirm erschien, und Seliger fragte sich irritiert, wieso das Spiel plötzlich dazu überging, ihn mit realem Namen statt mit dem seines Avatars anzusprechen. »Lieber Rudolf, Sie haben sich tapfer geschlagen. Aber alles, was Sie bisher erlebt haben, war nur ein Vorspiel für das, was Sie nun erwartet. Es geht um das höchste Gut. Wenn Sie bereit sind, darum zu spielen, sollten Sie vorher Ihr Testament machen, denn wenn Sie verlieren, kostet es Ihr Leben.«
    »Blödsinn«, dachte Seliger und kicherte unwillig. Dann klickte er unter der Frage »Sind Sie bereit?« den Button mit »Ja« an. Sogleich erschien die Aufforderung: »Bitte geben Sie für den Fall der Niederlage die von Ihnen bevorzugte Todesart an!« Zur Wahl standen Selbstmord, Unfall und Herzversagen. »Na, toll!« Seliger runzelte die Stirn und klickte auf weiter.
    »Sie möchten die Art Ihres Ablebens dem Zufall überlassen«, lautete der Schluss, der daraus gezogen wurde. »Geben Sie nun einen Erben an, dem Sie im Todesfall Ihr Vermögen zukommen lassen möchten.«
    Die Eingabemaske für den Erben verlangte genaue Angaben zur Person. Seliger verlor langsam die Geduld. Bei aller Liebe zum Detail und den Bemühungen der Spiele-Erfinder eine bedrohliche Atmosphäre zu schaffen, aber er wollte endlich weitermachen. So tippte er ein, was ihm gerade einfiel: »Dieter Dussel, geboren 5. 5. 1515, wohnhaft in 55 555 Dusseln, Dusselweg 5«. Als er die Angaben speichern wollte, ermahnte ihn der Computer, die Sache ernst zu nehmen.
    »Leck mich!«, knurrte Seliger. »Jetzt reicht's!«
    Er beendete das Spiel, loggte sich aus dem Internet aus und ging zur Theke. Theo saß über seinen Rechnungsbüchern, blickte nur kurz auf. Seliger ging meist mit einem schnell hingeworfenen »Tschüss« an ihm vorbei. Diesmal blieb er stehen. Theo schob die Brille auf die Nasenspitze und blickte Seliger über ihren Rand hinweg an. »Schon fertig, heute?«
    »Haben Sie das Spiel zu Ende gespielt?«, schnaubte Seliger.
    »Welches?«
    »Sie haben es mir vor fünf Wochen wärmstens empfohlen.«
    »Tut mir leid«, Theo zuckte die Achseln. »Für Spielchen fehlt mir etwas die Zeit. Hat wohl ein Kunde von geschwärmt.«
    »Das höchste Gut«, sagte Seliger. »Ein Adventure, bei dem …«
    »Das höchste Gut? Warten Sie!« Theo schlug sich an die Stirn. »Klar, da war dieser Freak im Rollstuhl. Kam jeden Tag und hat stundenlang nur das gespielt. Keine Ahnung, wie er hieß. Wills auch gar nicht wissen. Viele Kunden kommen gerade, weil es hier so schön diskret zugeht und man …«
    »Moment«, unterbrach Seliger, »während des Spiels wurde ich mit meinem realen Namen angesprochen. Woher wissen die den? Kann das über den Nutzer-Ausweis gelaufen sein?«
    Theo zuckte die Achseln. »Dürfte eigentlich nicht sein, dass die Zugriff auf Ihre Daten bekommen.«
    »Das will ich doch schwer hoffen«, sagte Seliger.
    »Dieser Freak jedenfalls«, fuhr Theo ungerührt fort, »der hat erzählt, er sei arbeitslos und könne sich die Behandlung nicht leisten, um aus dem Rollstuhl zu kommen. Die Kasse würde nichts übernehmen, weil er zu einem Spezialisten ins Ausland müsse.« Er merkte, dass Seliger ungeduldig wurde, und beeilte sich, zum Ende zu kommen: »Na, was sag ich, er war total wild auf das Spiel und dann, von heut auf morgen, war's vorbei und er kam nicht mehr her.«
    Seliger runzelte die Stirn. Er hatte nur mit halbem Ohr zugehört, aber nun beschlich ihn ein mulmiges Gefühl beim Gedanken an die Frage nach der bevorzugten Todesart. »Sie haben ihn nie wieder gesehen?«
    »Doch!« Theo grinste. »Vor ein paar Tagen zufällig in der Stadt. Hab ihn fast nicht erkannt. Er saß nicht mehr im Rollstuhl und trug auch nicht mehr die ollen Klamotten wie früher. Stieg in einen kleinen roten Sportwagen, einen Alfa glaub ich. Erst als er längst um die Ecke war, fiel mir ein, wo ich das große Muttermal auf der linken Wange schon mal gesehen hatte. Ärgerlich. Hätte mich echt interessiert, wo der Typ plötzlich die Kohle her hatte …«
    »Ja«, sagte Seliger, »in der Tat.«
    »Ich hab dann selbst mal reingeschaut«, sagte Theo. »In das Spiel, mein ich. Einfaches Jump-and-Run, schien aber ganz witzig zu sein und da Sie doch ein großer Fan solcher Spiele

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