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Der Tod wartet im Netz (Die besten Einsendungen zum Agatha-Christie-Krimipreis 2011)

Titel: Der Tod wartet im Netz (Die besten Einsendungen zum Agatha-Christie-Krimipreis 2011) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordelia Borchardt und Andreas Hoh
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Gangsterboss das iPhone orten konnte, würde sie es gleich hier ablegen. Aber einen Anruf wollte sie zuvor noch tätigen. Sie wählte Kermits Nummer. Die Jungs sollten sie abholen. Und beschützen.
    Ein Tritt gegen die Kniekehlen ließ Mini zu Boden sinken. Das passierte Jack Wolfen nur dann, wenn er unvorsichtig geworden war. Sie sah noch die weißen Turnschuhe, dann wurde sie in die Höhe gerissen. Der Kerl im schwarzen Shirt war sicher vier Meter groß und hatte zwei Meter breite Schultern – und jetzt das Telefon. Sie zappelte in der Luft wie ein Fisch am Angelhaken, setzte dennoch einen zaghaften Akt der Gegenwehr. Ein Schlag in die Weichteile. Das machte Jack Wolfen auch, wenn er nicht weiterwusste. Mini hatte allerdings das Spiel noch nie beendet, hatte ihren Helden nie ans Ziel gebracht. Mini traf nur den Oberschenkel ihres Peinigers, der sie nun fliegen ließ. Ein kurzer Moment der Schwerelosigkeit, dafür war der Aufprall umso härter. Ihr Unterarm knackte, ein Geräusch, wie sie es vom Spielen kannte. Von den Schmerzen spürte sie nichts. Die Endorphine, die ihr Gehirn ausschüttete, ließen sie kaum noch etwas realisieren. Sie sah nicht die aufgerissenen Münder, registrierte nicht die angstvoll starrenden Augen, die sie auf den Schienen fixierten.
    »Weil die jungen Dinger immer über die Schienen laufen müssen«, stellte eine Dame fest.
    Die Funken umschwirrten Mini wie ein Sternenschwarm. Wunderschön. So wunderschön konnte es sein, wenn hunderte Tonnen kreischender Stahl immer näherrutschten.
    Man muss so eine Aktion durchziehen, wenn der Zug einfährt. Jack Wolfen hätte das auch so gemacht!

Sylvia Klinkenberg Nicht auszuhalten
    Heute ist ein guter Tag. Ein guter Tag, weil ich etwas eingekauft habe. An der Obsttheke habe ich sogar ein paar Worte mit der Verkäuferin gewechselt. Wie gut doch diese Orangen aussehen, und die Mandarinen noch besser. Nichts Besonderes, werden Sie sagen, aber für mich ist es das. Etwas Besonderes, ein guter Tag. Die allermeisten meiner Tage verbringe ich nämlich allein in meiner Wohnung, ich gehe nicht raus, es ruft mich nie jemand an und ich tue es auch nicht. Für einige Zeit hatte ich es sogar aufgegeben, mir nach dem Aufstehen etwas anzuziehen und fand mich abends noch im Pyjama.

    Nun ist es ja nicht so, dass ich immer so gelebt hätte, das dürfen Sie nicht glauben, nein im Gegenteil. Vor der Krise war ich sogar sehr beschäftigt und hatte das, was man wohl landläufig eine Karriere nennt. Wenn ich es genau betrachte, hatte ich eigentlich nie etwas anderes als eine Karriere. Natürlich hatte ich ein Haus, einen Mann, Geld, aber das Wichtigste war immer die Karriere.
    »Kind, schau bloß, dass etwas aus dir wird, du bringst deinen Vater noch ins Grab, wenn das nichts wird«, pflegte meine Mutter zu sagen, mit dieser schrillen Stimme, dass sich einem die Fußnägel aufrollen. Und ich schaute, dass etwas aus mir wurde. Nicht weil es mir Spaß gemacht hätte oder ich auch nur im Entferntesten Interesse daran gehabt hätte, sondern, damit meine Mutter endlich still war. Und mein Vater, der Leitende Oberstaatsanwalt, im Grab – das wollte ich ja auch nicht.
    Mein Architekturstudium habe ich dann in Rekordzeit absolviert und bekam die Stelle bei von Hallertau, Brodewig & Partner mit 26.

    Heute habe ich etwas eingekauft. Die nächste Aufgabe wäre, aus den Einkäufen eine Mahlzeit zu kochen. Aber das ist nicht einfach, meistens schaffe ich es nicht und esse eine Tafel Schokolade oder Ravioli aus der Dose. Was ist denn das für eine Ernährung, werden Sie fragen, normal ist das nicht, und gesund schon gar nicht, aber was soll ich machen? Ich bringe die Energie einfach nicht auf. Der Gedanke daran, einen Topf aus dem Schrank zu nehmen, Wasser darin zu erhitzen, Gemüse zu putzen und zu schneiden, dieser Gedanke erschöpft mich so, dass ich erst gar nicht anfange.
    Abgesehen davon, dass solche Zutaten selten im Haus sind. Das heißt nicht, dass ich nie einkaufen ginge, nein, ich versuche es regelmäßig. Aber oft, wenn ich ein paar Minuten durch den Supermarkt gelaufen bin, eventuell schon etwas im Wagen habe, eine Tomate vielleicht, überkommt mich plötzlich die Gewissheit, dass ich es nicht schaffe. Dann wird mir ganz heiß von der Musik und den Menschen und den vollen Regalen und ich muss raus, lasse den Wagen stehen zwischen Tiefkühlhähnchen und Joghurt und laufe hinaus. Die Münze, die ich in den Wagen gesteckt habe, ist dann natürlich weg.

    Kommen Sie also

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