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Der Tod wartet im Netz (Die besten Einsendungen zum Agatha-Christie-Krimipreis 2011)

Titel: Der Tod wartet im Netz (Die besten Einsendungen zum Agatha-Christie-Krimipreis 2011) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordelia Borchardt und Andreas Hoh
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dabei.
    »Ich liebe dich«, sagte er ein wenig beruhigt und ergriff das Glas. Sie stießen damit ein letztes Mal an.
    Seinen düsteren Seitenblick auf das Meer bemerkte sie nicht.

    Kaltes Salzwasser umspülte die Gestalt von allen Seiten.
    Es kam ihr so vor, als ob sie stundenlang geschlafen hätte, der Körper nur noch aus feuchten Eisklumpen zu bestehen schien. Es war kein Eis, sondern Wasser. Schockiert wurde ihr bewusst, dass sie völlig durchnässt war. Etwas Raues und Festes scheuerte schmerzhaft am Körper und hinderte sie daran, sich zu bewegen.
    »Was ist denn passiert?«, schrie die Gestalt, aber nur ein gequältes Stöhnen kam über ihre Lippen.
    Dunkle Wolken zogen mit geballter Kraft über den Himmel.
    Mit einem Mal wurde ihr die furchtbare Realität bewusst und schlug mit brutaler Härte auf ihre Sinne.
    Ein Schlaftabletten-Rotwein-Cocktail.
    Ein Gesicht schob sich nun langsam über sie und dieses Gesicht ließ selbst das schrecklichste Unwetter wie einen zarten Frühlingshauch erscheinen. Es war verzerrt vor unbändigem Hass, zerstört von einer unfassbaren Tragödie, gealtert vor unsäglichem Schmerz und hilflosem Weiterleben.
    »Oh, mein Gott«, dachte er schaudernd.
    Dieses Gesicht war ihm so vertraut wie sonst keines.
    »Alles wird nie gut«, flüsterte Lisa und ging barfuß davon, ohne sich noch einmal umzudrehen.

    »Fahren Sie nicht auf die Insel, der Zustand Ihrer Frau ist noch nicht stabil. Sie könnte wieder einen seelischen Schock erleiden. Ein belangloses Erlebnis,ein paar unbedachte Worte, könnten wieder eine Katastrophe auslösen. Achten Sie darauf, dass sie nicht so viele Schlaftabletten nimmt. Ich stelle Ihnen noch ein Rezept für den Urlaub aus«, die Stimme ihres Therapeuten heulte wie eine Sirene in seinem Kopf wieder.
    »Ich kenne meine Frau, sie liebt die Insel. Gemeinsam werden wir es schaffen«, hatte er nur geantwortet. Jetzt wurde ihm grausam bewusst, dass das sein Todesurteil gewesen war.
    Das Wasser lief ihm jetzt unter die Wangen, spülte eine salzige Welle in seinen Mund und in seine Nase.
    Die Flut war da.
    Er hustete und spuckte aus, musste immer wieder würgen und erbrochener Rotwein lief in den matschigen Sand rund um seinen Kopf.
    Das Netz würden ihn nicht mehr loslassen. Die Abdrücke ihrer Füße im Sand waren das letzte Bild, das er mit in den Tod nahm.

    Paul Mahler hasste diesen Sand, der sich in sämtliche Körperteile verirren konnte. Er hasste die Insel mit ihren grantigen Bewohnern.
    »Moin Moin, Herr Kommissar.«
    Ein Blick in sein Gesicht ließ Hinnerk, den etwas tollpatschigen Inselpolizisten, jäh verstummen.
    Kommissar Paul Mahler, vom Hamburger Morddezernat, stapfte missmutig über den Bohlenweg, der sie zum Strand bringen würde.
    Er hasste seinen Job.
    »Angaben zur Leiche«, blaffte er Hinnerk an.
    »De Mannsminsch hieß Michael Schliemann, sin Fru, Lisa.«
    »Also, verheiratet war das arme Schwein«, sagte er laut und wischte sich mit einem Taschentuch die Schweißperlen von der Stirn.
    »Sünnerbar de Deern.« Hinnerk nahm seine blauweiß gestreifte Pudelmütze vom Kopf und kratzte sich ausgiebig.
    Mahler hätte ihn am liebsten, mit dem Kopf voraus, in den Sand gesteckt, weil Hinnerk nur plattdeutsch mit ihm sprach.
    Er hasste die Friesen.
    »Wie kann man nur so unglücklich zu Tode kommen«, grübelte er und blickte auf die Leiche hinab.
    »Wie so´n drögen Fisch an´n Land«, murmelte Hinnerk, der ein wenig blass um die Nase geworden war.
    Das Gesicht des Mannes, der hier vor ihnen im Sand lag, hätte man als interessant beschreiben können, wäre es nicht so wachsweiß gewesen. Die Augen standen weit aus den Höhlen, starrten blicklos in den Himmel, und der Mund formte einen verzweifelten Schrei.
    Mahler ging einmal um die Leiche herum.
    Er sah wirklich aus wie ein gefangener Fisch, der qualvoll in seinem Netz gestorben war. So etwas hatte Mahler noch nie zuvor erlebt, und er hatte während seiner Dienstzeit schon viele Leichen gesehen.
    Von Hinnerk erfuhr er, dass dieser Mann und seine Frau seit Jahren hier Urlaub machten, bevor eine Tragödie, vor drei Jahren, alles zerstörte. Hinnerk wollte sein Wissen etwas hinauszögern, aber mit dem Kommisar war nicht gut Fisch essen.
    »De Lütte hieß Lukas, he is doodgahn«, sagte Hinnerk.
    Mahler musste genau hinhören, um alles verstehen zu können. Dann fuhr ihm ein eisiger Schauer über den Rücken. Die arme Frau, ein Kind zu verlieren musste wirklich das Allerschlimmste sein, was einem im Leben

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