Der Tod wartet
ein gewisses Unbehagen verursachte, folgte Lady Westholme gehorsam zu einer Sitzgruppe.
Während sie dort saßen und warteten, unterrichtete Lady Westholme alle davon, dass sie die Einladung, während ihres Aufenthaltes in Jerusalem beim Hochkommissar zu logieren, abgelehnt hatte. «Ich wollte mich nicht durch offizielle Verpflichtungen einengen lassen. Ich wollte mir selbst ein Bild machen.»
«Wovon?», erkundigte sich Sarah.
Woraufhin Lady Westholme ihr auseinander setzte, dass sie im Solomon abgestiegen war, um tun und lassen zu können, was sie wollte. Ergänzend fügte sie hinzu, dass sie dem Hoteldirektor bereits mehrere Vorschläge bezüglich einer kompetenteren Führung des Hauses unterbreitet habe.
«Immer effizient sein», sagte Lady Westholme, «das ist meine Devise!»
Sie schien es in der Tat zu sein. Schon eine Viertelstunde später fuhr ein großer und äußerst bequemer Wagen vor, und zu gegebener Zeit – nachdem Lady Westholme exakte Anweisungen gegeben hatte, wie das Gepäck zu verstauen war – brach die Gesellschaft auf.
Am Toten Meer wurde das erste Mal Halt gemacht. Zu Mittag aßen sie in Jericho. Danach war Lady Westholme, mit dem Baedeker bewaffnet, zusammen mit Miss Pierce, dem Doktor und dem beleibten Dragoman zu einem Rundgang durch das alte Jericho aufgebrochen, während Sarah im Garten des Hotels geblieben war.
Sie hatte leichte Kopfschmerzen und wollte allein sein. Tiefe Niedergeschlagenheit hatte sich ihrer bemächtigt – eine Niedergeschlagenheit, die sie sich nicht erklären konnte. Sie war auf einmal lustlos und desinteressiert, wollte nichts besichtigen, fühlte sich von ihren Mitreisenden angeödet. In diesem Augenblick wünschte sie nur, sie hätte sich nie auf diesen Abstecher nach Petra eingelassen. Der Ausflug würde sehr kostspielig werden, und sie war überzeugt, dass sie ihn nicht genießen würde! Lady Westholmes dröhnende Stimme, das ununterbrochene Geschnatter von Miss Pierce und das antizionistische Lamento des Dragomans strapazierten ihre Nerven schon jetzt über Gebühr. Fast ebenso sehr missfiel ihr Dr. Gérards amüsierte Miene, als wüsste er ganz genau, was in ihr vorging.
Sie fragte sich, wo die Boyntons jetzt wohl waren. Vielleicht waren sie nach Syrien weitergefahren, waren in Baalbek oder in Damaskus. Und Raymond – was er wohl gerade machte? Seltsam, wie deutlich sie sein Gesicht vor sich sah – den Eifer, die Schüchternheit, die nervöse Spannung, die darin lagen…
Ach, zum Teufel! Wozu noch an Leute denken, die ihr wahrscheinlich nie mehr über den Weg laufen würden? Die Szene mit der alten Frau – was war bloß in sie gefahren, auf die alte Dame loszumarschieren und eine Menge Unsinn vom Stapel zu lassen! Bestimmt hatten auch andere Leute etwas davon mitbekommen. Sie glaubte sich zu erinnern, dass Lady Westholme sich in der Nähe aufgehalten hatte. Sarah versuchte sich darauf zu besinnen, was genau sie zu Mrs Boynton gesagt hatte. Irgendetwas, das völlig abstrus und hysterisch geklungen haben musste. Gütiger Himmel, sich derart zum Narren zu machen! Aber eigentlich war es ja nicht ihre Schuld, sondern die von Mrs Boynton. Die Frau hatte etwas an sich, das einen zum Äußersten trieb.
Dr. Gérard kam in den Garten, ließ sich auf einen Stuhl fallen und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
«Puh! Man sollte das Weib vergiften!», verkündete er.
Sarah schreckte hoch.
«Mrs Boynton?»
«Wieso Mrs Boynton? Nein, ich spreche von dieser Lady Westholme! Ich finde es einfach unglaublich, dass sie seit Jahren verheiratet ist und dass ihr Herr Gemahl es nicht schon längst getan hat! Was ist das nur für ein Mann?»
Sarah lachte.
«Nun, er ist einer von denen, die nur Jagen und Fischen im Kopf haben», erwiderte sie.
«Psychologisch gesehen absolut verständlich! Er lässt seinen wilden Drang zu töten an der so genannten niederen Kreatur aus.»
«Angeblich ist er sehr stolz auf die Aktivitäten seiner Frau.»
Der Franzose meinte trocken: «Weil sie ihre häufige Abwesenheit von zu Hause erfordern. Das kann ich gut verstehen.»
Dann fuhr er fort: «Sagten Sie gerade Mrs Boynton? Zweifellos wäre es eine ausgezeichnete Idee, auch diese Dame zu vergiften. Unbestreitbar die einfachste Lösung für die Probleme ihrer Familie! Man sollte überhaupt eine ganze Reihe von Frauen vergiften. Nämlich alle, die alt und hässlich geworden sind.»
Er schnitt eine viel sagende Grimasse.
Sarah rief lachend aus: «Ach, ihr Franzosen! Eine Frau,
Weitere Kostenlose Bücher