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Der Tod wartet

Der Tod wartet

Titel: Der Tod wartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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wäre mit ihm gegangen…
    Doch dann tadelte sie sich scharf. Raymond wollte das, was er vorhatte, allein durchstehen, wollte seinen neu gewonnenen Mut unter Beweis stellen. Das war sein gutes Recht.
    Aber sie betete von ganzem Herzen darum, dass ihn dieser Mut nicht im Stich ließ…
    Die Sonne ging schon unter, als Sarah wieder in Sichtweite des Camps kam. Beim Weitergehen konnte sie im Dämmerlicht die starren Umrisse von Mrs Boynton ausmachen, die noch immer vor dem Eingang ihrer Höhle saß. Der Anblick der bedrohlichen, regungslosen Gestalt ließ Sarah erschauern.
    Sie eilte auf dem unterhalb des Felsens entlangführenden Pfad vorbei und betrat das hell erleuchtete Gemeinschaftszelt.
    Lady Westholme, einen Strang Wolle um den Hals gehängt, strickte an einem marineblauen Pullover. Miss Pierce bestickte einen Tischläufer mit anämischen blauen Vergissmeinnicht und wurde dabei über die einzige vernünftige Reform des Scheidungsrechts aufgeklärt.
    Die Diener kamen und gingen und bereiteten alles für das Abendessen vor. Die Boyntons saßen in Segeltuchstühlen am anderen Ende des Gemeinschaftszeltes und lasen. Mahmoud erschien, wohlbeleibt und würdevoll, und beklagte sich bitterlich. Sei sehr schöner Ausflug nach Teestunde geplant gewesen, aber niemand da… Jetzt ganzes Programm durcheinander… Nicht mehr sehen können sehr interessante nabatäische Architektur.
    Sarah sagte rasch, dass es ihnen auch so sehr gut gefallen habe.
    Sie ging in ihr Zelt, um sich vor dem Abendessen frisch zu machen. Auf dem Rückweg blieb sie vor Dr. Gérards Zelt stehen und rief leise: «Dr. Gérard?»
    Es kam keine Antwort. Sie schob die Plane vor dem Eingang beiseite und spähte hinein. Der Arzt lag regungslos auf dem Bett. Sarah zog sich geräuschlos zurück und hoffte, dass er schlief.
    Ein Diener kam ihr entgegen und deutete auf das Gemeinschaftszelt. Offenbar war das Essen fertig. Sie schlenderte wieder hinunter. Bis auf Dr. Gérard und Mrs Boynton waren alle anderen bereits um den Tisch versammelt. Ein Diener wurde losgeschickt, um der alten Dame Bescheid zu sagen, dass das Essen fertig war. Dann entstand draußen plötzlich Unruhe. Zwei erschrockene Diener stürzten herein und redeten aufgeregt in Arabisch auf den Dragoman ein.
    Mahmoud blickte sich verwirrt um und ging hinaus. Sarah folgte ihm impulsiv.
    «Was ist passiert?»
    «Die alte Dame», erwiderte Mahmoud. «Abdul sagt, sie krank – bewegt sich nicht.»
    «Ich komme mit.»
    Sarah machte sich sofort auf den Weg. Sie kletterte hinter Mahmoud den Abhang hinauf und folgte dem schmalen Pfad, bis sie zu der hockenden Gestalt kam, fasste nach der aufgedunsenen Hand, suchte den Puls, beugte sich vor…
    Als sie sich wieder aufrichtete, war sie sehr blass.
    Sie ging zurück zum Gemeinschaftszelt. Am Eingang blieb sie kurz stehen und blickte zu der Gruppe am hinteren Ende des Tisches hinüber. Als sie sprach, klang ihre Stimme sogar für sie selbst barsch und unnatürlich.
    «Es tut mir sehr Leid», sagte sie und zwang sich, ihre Worte an das Oberhaupt der Familie, an Lennox, zu richten. « Ihre Mutter ist tot, Mr Boynton. »
    Und wie aus weiter Ferne beobachtete sie die Gesichter der fünf Menschen, für die diese Nachricht die Freiheit bedeutete…

Teil 2

Erstes Kapitel
     
    C olonel Carbury lächelte seinem Gast über den Tisch hinweg zu und erhob das Glas. «Also dann, auf das Verbrechen!»
    Hercule Poirots Augen funkelten angesichts dieses passenden Trinkspruchs.
    Er war mit einem Empfehlungsschreiben von Colonel Race zu Colonel Carbury nach Amman gekommen.
    Carbury war neugierig gewesen, den weltberühmten Meisterdetektiv kennen zu lernen, dessen Fähigkeiten sein alter Freund und Geheimdienstkollege in den höchsten Tönen gepriesen hatte.
    «Eine zwingende psychologische Schlussfolgerung, wie man sie besser nicht finden kann!», hatte Race bezüglich der Aufklärung des Mordfalls Shaitana geschrieben.
    «Wir müssen Ihnen möglichst viel von der Umgebung zeigen», sagte Carbury und zwirbelte seinen struppigen grau melierten Schnurrbart. Er war ein nachlässig gekleideter, untersetzter Mann mittlerer Größe mit. Halbglatze und ausdruckslosen, sanften blauen Augen. Er sah überhaupt nicht wie ein Offizier aus. Er sah nicht einmal besonders hell aus. Und er entsprach in keiner Hinsicht dem, was man sich unter einem strengen Vorgesetzten vorstellt. Dennoch war er ein mächtiger Mann in Transjordanien.
    «Da wäre zum Beispiel Gerasa», sagte er. «Interessiert Sie

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