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Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007

Titel: Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Wright
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Labor versuche er hochwertige Samen zu züchten, die den Lebensbedingungen im Sudan angepasst seien. Außerdem sprach Bin Laden davon, dass er eine weitere große Straße bauen wolle. Er schien sich aus ganzem Herzen für seine Projekte zu engagieren - ein lebhafter, zufriedener, friedlicher Mann, der jedoch von Heimweh geplagt wurde.
    Beim Mittagessen begann Bin Laden plötzlich von al-Qaida zu schwärmen. Er sagte, er sei überzeugt, dass man die Amerikaner ganz leicht von der arabischen Halbinsel vertreiben könne. Als Beispiel führte er den Jemen an. „Wir haben ihnen in Aden einen Schlag versetzt, daraufhin sind sie abgezogen“, erklärte er stolz. „Wir haben sie in Somalia angegriffen, und wieder sind sie abgezogen.“
    „Osama, das ist sehr gefährlich“, warnte ihn Dschamal. „Das ist gewissermaßen eine Kriegserklärung. Damit gibst du den Amerikanern das Recht, dich zu jagen.“
    Bin Laden lächelte nur.
    Abermals zog Kaschoggi seinen Kassettenrekorder hervor. Aber wieder weigerte sich sein Freund, auf das Band zu sprechen.
    Am folgenden Abend kam Kaschoggi das letzte Mal zum Essen. Sie saßen wieder auf dem Boden der Terrasse. Es war dasselbe schlichte Mahl, das sie schon an den vorhergehenden Abenden zu sich genommen hatten: Reis mit Lamm. Bin Laden aß manchmal mit einem Löffel, benutzte aber lieber die Finger der rechten Hand, denn so hatte es auch der Prophet gemacht. Er erzählte wehmütig, wie sehr er Medina vermisse und wie gern er zurückkehren und sich dort wieder niederlassen würde. Kaschoggi erwiderte, dazu müsse er nur auf dem Band wiederholen, was er ihm bereits privat gesagt habe - dass er die Anwendung von Gewalt verurteile.
    In diesem Augenblick trat jemand zu Bin Laden und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Osama stand auf und ging in den Garten. Im Halbdunkel sah Kaschoggi, wie zwei oder drei Männer mit ägyptischem Akzent leise mit Bin Laden sprachen. Fünf Minuten später kam Bin Laden zurück, und Kaschoggi wiederholte sein Anliegen.
    „Was kriege ich dafür?“, fragte Bin Laden.
    Kaschoggi war überrascht. Osama hatte sich bislang noch nie wie ein Politiker verhalten, der einen persönlichen Vorteil herauszuschlagen versucht. „Das weiß ich nicht“, gab Kaschoggi zu. „Ich bin kein Vertreter der Regierung. Sag einfach etwas, brich das Eis! Vielleicht gibt es darauf eine positive Reaktion. Vergiss nicht, du hast ein paar sehr unfreundliche Dinge über das Königshaus gesagt.“
    Bin Laden lächelte. „Ja, aber ein solcher Schritt muss wohlüberlegt sein.“Er erwähnte einige mögliche Zugeständnisse, die ihm die Entscheidung erleichtern würden: eine Generalamnestie für ihn, ein Zeitplan für den vollständigen Rückzug der amerikanischen Truppen von der Halbinsel.
    Kaschoggi hatte den Eindruck, dass sein Freund allmählich den Bezug zur Wirklichkeit verlor. Bin Laden begann sich sehr positiv über den Sudan zu äußern und verwies auf die interessanten Investitionsmöglichkeiten in diesem Land. Er erkundigte sich bei Kaschoggi nach einigen gemeinsamen Freunden und schlug vor, sie sollten ihn besuchen und seine landwirtschaftlichen Projekte besichtigen. Er würde sie ihnen sehr gern zeigen.
    „Osama, jeder Saudi hätte Angst, sich mit dir öffentlich sehen zu lassen“, entgegnete Dschamal. „Warum verstehst du das denn nicht?“
    Bin Laden zeigte wieder dasselbe Lächeln, das Kaschoggi schon so oft bei ihm gesehen hatte. Er schien nicht zu begreifen, was er getan hatte oder was aus ihm in den Augen seiner Landsleute geworden war.
    Enttäuscht kündigte Kaschoggi seinem Freund an, dass er am nächsten Tag abreisen werde. Wenn Osama doch noch das Interview geben wolle, solle er ihn im Hilton-Hotel anrufen.
    Bin Laden hat sich nie gemeldet.

11 DER FÜRST DER FINSTERNIS
    An einem Sonntagmorgen im Februar 1995 ging Richard A. Clarke, der Chefkoordinator für Terrorismusbekämpfung im Weißen Haus, in sein Büro, um sich die Geheimdiensttelegramme anzuschauen, die am Wochenende eingetroffen waren. In einem Bericht wurde mitgeteilt, dass Ramsi Jussef, der mutmaßliche Drahtzieher des Bombenanschlags auf das World Trade Center zwei Jahre zuvor, in Islamabad gesehen worden sei. Clarke rief sofort in der FBI-Zentrale an, obwohl er eigentlich wusste, dass am Sonntag dort wohl niemand anzutreffen sein würde. Ein Mann, dessen Stimme ihm unbekannt war, meldete sich am Telefon. „O’Neill“, brummte er. 1
    „Wer sind Sie?“, fragte Clarke.
    „Ich bin John O’Neill“,

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