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Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007

Titel: Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Wright
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    Als Bin Laden Kabul überflog, wurde die Hauptstadt gerade wieder einmal belagert, diesmal von den Taliban. Diese Organisation war 1994 aus einer kleinen Gruppe von Koranschülern entstanden, überwiegend Waisen, die in Flüchtlingslagern aufgewachsen und wütend waren über das Chaos und das Elend, das die Herrschaft der Mudschahidin dem Land gebracht hatte. 4 Die Befreier von der Herrschaft der Sowjets hatten sich als noch barbarischere Herrscher entpuppt als ihre einstigen Feinde. Die Taliban, die durch die Zustände nach dem Sieg der Glaubenskrieger zum Handeln getrieben wurden, erstarkten erstaunlich schnell. Dank der Unterstützung durch den pakistanischen Geheimdienst entwickelten sie sich aus einer kleinen Volksmiliz zu einer starken, höchst mobilen Guerillaarmee, die bald an Macht und Einfluss gewann und nun an den Außenbezirken von Kabul stand und die Ruinen der Hauptstadt mit einem Raketenhagel eindeckte.
    Im Nachbartal, am Fuße des Hindukusch, lag die Stadt Dschalalabad. Bin Laden landete hier auf demselben Flughafen, den er 1989 belagert hatte. Er wurde von drei früheren Mudschahidin-Kommandeuren empfangen 5 , dann bezog er eine alte Hütte oberhalb des Flusses, die früher als sowjetischer Armeeposten gedient hatte. Ein paar Monate später zog er in ein heruntergekommenes Anwesen acht Kilometer südlich von Dschalalabad um. Es gehörte einem von Bin Ladens alten Förderern, einem alternden Warlord namens Jounis Chalis 6 , der eine Vorliebe für junge Mädchen besaß. 7
     
    AFGHANISTAN ist ein weiträumiges, zerklüftetes Land, das von Osten nach Westen vom Hindukusch durchzogen wird. Die Bevölkerung spaltet sich in vier ethnische Hauptgruppen sowie zahlreiche Stämme und Dialekte auf. Auch in Friedenszeiten ist das Land nur schwer zu regieren, doch diese lagen nun schon so lange zurück, dass sich viele Afghanen kaum mehr daran erinnern konnten. Die Sehnsucht nach Ordnung war so groß, dass fast jede starke, stabilisierende Kraft mit offenen Armen empfangen worden wäre.
    Die Taliban nahmen rasch neun der dreißig Provinzen ein. Präsident Burhanuddin Rabbani versuchte mit ihnen zu verhandeln, aber sie verlangten schlicht seinen Rücktritt. Der gerissene und erfahrene Mudschahidin-Kommandeur Ahmed Schah Massud konnte die jungen Aufständischen aus Südkabul vertreiben und sie anschließend in einigen Provinzen zurückdrängen. Nachdem Saudi-Arabien und Pakistan zu dem Schluss gelangt waren, dass die Taliban nach dem Chaos der Mudschahidin-Herrschaft am ehesten in der Lage sein würden, wieder eine gewisse Ordnung im Land herzustellen, unterstützten sie sie mit Waffen, schickten Ausbilder und belieferten sie mit Fahrzeugen - meist Datsun-Pickups mit Vierradantrieb, auf denen man schwere Maschinengewehre, Kanonen, Flugabwehrgeschütze oder Raketenwerfer installieren konnte. Die Taliban bewegten sich flink, in kleinen Gruppen, und machten durch Geschwindigkeit und Wagemut wett, was ihnen an Organisation und Disziplin fehlte. Sie heuerten Piloten und Kommandeure des früheren kommunistischen Regimes als Söldner an. 8 Die Führer der Opposition begrüßten diese Entwicklung und nutzten die Gelegenheit, sich die Taschen mit Bestechungsgeldern der Taliban zu füllen. Dschalalabad, das monatelang den Mudschahidin standgehalten hatte, ergab sich nun plötzlich vier Taliban-Kämpfern in einem Jeep. 9 Nun beherrschten die Taliban den Eingang zum Khyber-Pass. Zudem hatten sie einen berühmten Flüchtling in ihren Reihen.
    Die Taliban hatten Bin Laden nicht eingeladen, nach Afghanistan zurückzukehren, und waren ihm in keiner Weise verpflichtet. Sie wandten sich an die saudische Regierung und fragten, was sie mit ihm tun sollten. Die Saudis teilten ihnen mit, sie sollten ihn im Auge behalten und dafür sorgen, dass er Ruhe gab. So kam Bin Laden unter die Kontrolle eines politischen Einzelgängers namens Mullah Mohammed Omar, der sich erst vor kurzem zum „Herrscher aller Muslime“erklärt hatte.
    Mullah Omar hatte 1989 durch eine Granatenexplosion in der Schlacht um Dschalalabad sein rechtes Auge verloren, Wange und Stirn waren entstellt worden. 10 Der schlanke, aber große und kräftig gebaute Mann hatte sich als treffsicherer Schütze einen Namen gemacht und im Afghanistankrieg viele sowjetische Panzer zerstört. 11 Anders als die meisten afghanischen Mudschahidin sprach er recht gut Arabisch 12 und besuchte häufig die Vorträge von Scheich Abdullah Assam. Frömmigkeit, Bescheidenheit und Mut waren

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