Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
seine herausragenden Charaktereigenschaften. Er fiel bei Assams Vorträgen kaum auf, bestenfalls durch das gelegentliche scheue Lächeln, das in seinem dichten schwarzen Bart verschwand, und seine Kenntnisse des Korans und der Hadithe; er hatte in Pakistan islamisches Recht studiert.
Nach dem Rückzug der Sowjets kehrte Omar nach Afghanistan zurück und unterrichtete an einer Madrasse, einer Koranschule in einem kleinen Dorf in der Nähe von Kandahar. Doch die Kämpfe nahmen kein Ende, auch nicht, als die kommunistische Regierung im April 1992 floh. Die Gewalt kannte keine Grenzen. Stammeskrieger und marodierende Banden zogen durch das Land. Überkommener Hass zwischen den Volksgruppen und wechselseitige Racheschwüre führten zu einer Spirale der Gewalt. Einmal organisierte ein örtlicher Kommandeur eine Gruppenvergewaltigung von Jungen. Derartige Vorfälle waren an der Tagesordnung. „Verkommenheit und moralischer Zerfall hatten das Land erfasst“, berichtete Omar später. „Morde, Plünderungen und Gewalt waren normal geworden. Niemand hatte sich vorstellen können, dass es einmal so schlimm werden würde. Und niemand glaubte, dass sich die Situation jemals wieder ändern würde.“ 13
In dieser verzweifelten Lage hatte Omar eine Vision. 14 Der Prophet erschein ihm und trug diesem einfachen Dorf-Mullah auf, seinem Land Frieden zu bringen. Mit der Furchtlosigkeit eines Mannes, der völlig in seiner Religion aufgeht, kaufte sich Omar ein Motorrad und begann, Schüler in anderen Koranschulen der Region zu besuchen. Die Studenten (auf Paschtu „taliban“) waren ebenso wie er überzeugt, das etwas geschehen müsse, aber nur wenige erklärten sich bereit, ihr Studium aufzugeben und sich Omar und seinem gefährlichen Unterfangen anzuschließen. Schließlich konnte er 53 besonders mutige Studenten um sich scharen. Sein früherer Kommandeur im Kampf gegen die Sowjets, Hadschi Baschar, der von Omars Vision zutiefst beeindruckt war, half ihm, Geld und Waffen aufzutreiben und spendete ihm persönlich zwei Autos und einen Lastwagen. Mit rund 200 Anhängern übernahmen die Taliban kurz darauf die Macht im Bezirk Maiwand in der Provinz Kandahar. Der örtliche Kommandeur ergab sich zusammen mit rund 2500 Soldaten, wobei den Aufständischen ein großer Vorrat an Waffen, einige Hubschrauber, gepanzerte Fahrzeuge und sechs MiG-21-Kampfflugzeuge in die Hände fielen. 15 In ihrer Sehnsucht nach Wiederherstellung von Recht und Ordnung scharten sich viele Afghanen um die Taliban, die sich als glühende und unbestechliche Diener Gottes präsentierten.
Aus drei Quellen speisten sich die Taliban, die sich mit atemberaubender Geschwindigkeit über ganz Afghanistan ausbreiteten. Die erste war die materielle Unterstützung mit Waffen und Geld aus Saudi-Arabien und Pakistan. Einige Taliban hatten eine Berufsschule besucht, die Ahmed Badib, Prinz Turkis Stabschef, während des Krieges gegründet hatte 16 ; daher gab es von Anfang an eine enge Verbindung zwischen dem saudischen Geheimdienst und den jungen Aufständischen.
Die zweite Quelle waren die Madrassen jenseits der pakistanischen Grenze, ähnlich wie die von Ahmed Badib eingerichtete, die überfüllt waren mit Söhnen afghanischer Flüchtlinge. Solche Schulen wurden dringend benötigt, denn Pakistan, eines der Länder mit der höchsten Analphabetenrate der Welt, hatte es versäumt, ein öffentliches Schulwesen aufzubauen, in dem seine Kinder ausgebildet werden konnten, ganz zu schweigen von den drei Millionen afghanischen Flüchtlingen, die nach dem sowjetischen Einmarsch ins Land geströmt waren. 17 (Ähnlich viele Flüchtlinge gab es im Iran.) Üblicherweise wurden die Koranschulen durch Spenden aus Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten finanziert, die das Geld über lokale religiöse Parteien ins Land schleusten. In der Folge wurden viele einheimische Sufi-Schreine geschlossen und in Schulen umgewandelt, in denen die wahhabitische Lehre unterrichtet wurde. 18 Die Madrassen waren natürlich ein bedeutendes politisches Reservoir für die lokalen wahhabitischen Parteien, da sie nicht nur freie Unterkunft und Verpflegung boten, sondern auch ein monatliches Stipendium - eine entscheidende Einkommensquelle für die Familien vieler Schüler. 19
Diese Jungen waren in einer ausschließlich von Männern bestimmten Welt aufgewachsen und für lange Zeit von ihren Familien getrennt gewesen. Die Traditionen, die Bräuche und die Geschichte ihres Landes waren ihnen nicht vertraut. Sie
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