Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
amerikanischer Soldaten in Somalia her, und dieser Beweis wurde zur Grundlage der Anklage, die schließlich im Juni 1998 in New York gegen Bin Laden erhoben wurde. Dieser spezifische Anklagepunkt wurde später jedoch fallen gelassen, und keine Aussage in späteren Prozessen gegen Terroristen bewies, dass al-Qaida oder Bin Laden vor dem August jenes Jahres für die Ermordung amerikanischer Bürger - oder irgendwelcher anderer Personen - verantwortlich gewesen waren. Hätte man ihn zu jener Zeit gefasst, so wäre Bin Laden wohl nicht verurteilt worden.
Der Streit zwischen O’Neill vom FBI und Scheuer von der CIA sowie das Zögern des Nationalen Sicherheitsrats, der sich nicht auf eine Aktion einlassen wollte, die in einem beschämenden und blutigen Fiasko enden konnte, bremsten das Vorhaben. CIA-Direktor George Tenet flog sogar im Mai 1998 zweimal nach Saudi-Arabien, um dort um Hilfe zu bitten. Laut Scheuers Aussage machte Kronprinz Abdullah klar, dass der amerikanische Geheimdienst „niemals ein Wort darüber verlieren dürfe“, sollte es den Saudis tatsächlich gelingen, die Taliban zur Auslieferung Bin Ladens zu bewegen.
Die Saudis hatten ihre eigenen Sorgen mit Bin Laden. Prinz Turki hatte erfahren, dass Bin Laden versucht hatte, seinen Anhängern im Königreich Waffen zukommen zu lassen, damit sie Polizeistationen angreifen konnten. Die Saudis beklagten sich wiederholt bei den Taliban darüber, dass sich Bin Laden in die inneren Angelegenheiten des saudischen Königreichs einmische, stießen bei Mullah Omar jedoch auf taube Ohren. Schließlich zitierte der König Prinz Turki im Juni 1998 zu sich und gab ihm eine klare Anweisung: „Mach der Sache ein Ende.“ 10
Also machte sich Turki auf den Weg nach Kandahar. Seine Maschine überflog genau die an eine Festung erinnernde Anlage von Tarnak. Prinz Turki war Mullah Omar nie zuvor begegnet. Der Prinz wurde in ein baufälliges Gästehaus gebracht, in dem früher ein wohlhabender Händler gewohnt hatte; das Haus zählte zu den Überbleibseln einer einst malerischen Stadt. Mullah Omar hinkte ihm entgegen, um ihn zu begrüßen. Der einäugige Führer der Taliban wirkte mager und blass. Er trug einen langen Bart und presste eine Hand auf die Brust, um zu verbergen, dass sie zitterte. Kriegsverletzungen und andere Leiden waren in Afghanistan außergewöhnlich verbreitet; die meisten Kabinettsmitglieder und Gouverneure der Taliban waren Amputierte oder mehrfach behindert, und bei einer Versammlung afghanischer Männer entsprach die Zahl der Arme, Beine und Augen nur selten der Zahl der Anwesenden. Prinz Turki schüttelte Mullah Omar die Hand und ließ sich ihm gegenüber auf dem Boden des Wohnraums nieder. Hinter Omar gaben Glastüren den Blick auf eine halbrunde Terrasse frei, hinter der ein staubiger, kahler Hof lag.
Selbst bei einem wichtigen offiziellen Anlass wie diesem herrschte bei den Taliban eine befremdend chaotische Atmosphäre. Im Raum wimmelte es von Leuten verschiedener Altersgruppen, die nach Belieben ein und aus gingen. Prinz Turki war dankbar dafür, dass es zumindest eine Klimaanlage gab, welche die drückende Sommerhitze milderte.
Begleitet wurde der saudische Prinz von Scheich Abdullah Turki. Dieser war ein angesehener islamischer Gelehrter und ehemaliger Minister für religiöse Stiftungen, die eine ergiebige Geldquelle für die Taliban waren. Abgesehen davon, dass die Gegenwart Scheich Abdullahs den Gastgebern die saudische Unterstützung in Erinnerung rief, würde er alle möglichen religiösen oder rechtlichen Fragen in Bezug auf Bin Ladens Status rasch klären können. Prinz Turki erinnerte Omar an sein Versprechen, Bin Laden davon abzuhalten, Angriffe gegen das Königreich zu organisieren, und forderte ihn auf, seinen Gast auszuliefern. Bedauerlicherweise hatte Bin Laden die Stadt für die Dauer von Turkis Besuch verlassen. 11
Mullah Omar zeigte sich vollkommen überrascht. „Ich kann ihn nicht einfach so übergeben“, wandte er ein. „Schließlich haben wir ihm Schutz zugesagt.“
Prinz Turki war verblüfft über diese Wendung. Nun begann Mullah Omar, ihm einen Vortrag über das Stammesgesetz der Paschtunen zu halten, das den Verrat an einem Gast streng verbot.
Scheich Abdullah Turki äußerte die Ansicht, der Gastgeber sei von seiner Verpflichtung entbunden, wenn ein Gast sein Wort breche, was Bin Laden wiederholt getan habe, indem er mit der Presse gesprochen habe. Doch der Führer der Taliban war nicht überzeugt.
In dem Glauben,
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