Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
angeforderten Informationen zur Verfügung gestellt, so hätte das FBI von dem al-Qaida-Treffen in Malaysia und von der Verbindung zu Mihdhar und Hasmi erfahren. Das FBI hätte etwas herausgefunden, was die CIA bereits wusste: dass zwei Mitglieder von al-Qaida seit mehr als einem Jahr in den Vereinigten Staaten waren. Da bereits eine Anklage gegen Bin Laden in New York vorlag und Mihdhar und Hasmi seiner Organisation angehörten, wäre das Büro bereits befugt gewesen, diese Verdächtigen zu untersuchen, ihr Apartment zu verwanzen, ihre Telefongespräche abzuhören, die Daten auf ihrem Computer zu kopieren und ihre Kontakte zu überprüfen. Das FBI hätte all jene Maßnahmen ergreifen können, die geeignet gewesen wären, die Anschläge vom 11. September zu verhindern.
Im Juni 2001 verhafteten die jemenitischen Behörden acht Männer, die sie verdächtigten, einen Bombenanschlag auf die amerikanische Botschaft im Jemen zu planen, in der Soufan und die anderen verbliebenen FBI-Ermittler Zuflucht gesucht hatten. Da weitere Drohungen gegen das FBI ausgesprochen wurden, zog Freeh auf O’Neills Anraten das gesamte Team aus dem Jemen ab.
DER ANGRIFF auf die Cole war ein großer Erfolg für Bin Laden. Die afghanischen Ausbildungslager von al-Qaida füllten sich mit neuen Rekruten, und aus den Golfstaaten reisten Geldgeber mit Samsonite-Koffern an, die mit Petrodollars gefüllt waren. 51 Es war wie in den goldenen Tagen des afghanischen Dschihad. Endlich gab es Geld zu verteilen. Die Führung der Taliban, die immer noch gespalten war, was Bin Ladens Aufenthalt in Afghanistan betraf, wurde willfähriger, als das Geld zu fließen begann, obwohl nun Sanktionen und Repressalien drohten. Bin Laden verteilte die Führungsspitze von al-Qaida auf verschiedene Standorte, sodass sie bei dem erwarteten amerikanischen Gegenschlag nicht vollkommen vernichtet werden konnte: Abu Hafs wurde an einen anderen Standort in Kandahar geschickt, und Sawahiri ging nach Kabul. 52
Doch die amerikanische Antwort blieb aus. Die Vereinigten Staaten steckten mitten im Präsidentschaftswahlkampf, und Bill Clinton versuchte, sein Vermächtnis aufzupolieren, indem er ein Friedensabkommen zwischen Israel und den Palästinensern vermittelte. Der Anschlag auf die Cole hatte genau zu dem Zeitpunkt stattgefunden, als die Gespräche in eine Sackgasse geraten waren.
Clinton erklärt in seinen Erinnerungen, seine Regierung habe trotz des ungünstigen politischen Zeitpunkts im Oktober 2000 kurz davor gestanden, einen weiteren Angriff auf Bin Ladens Lager anzuordnen. Doch in letzter Minute habe die CIA empfohlen, die Aktion abzubrechen, da Bin Ladens Anwesenheit in dem Lager nicht vollkommen sicher sei. 53
Bin Laden war wütend und enttäuscht. Er hatte gehofft, die Vereinigten Staaten in dieselbe Falle locken zu können, in die schon die Sowjetunion gegangen war: Afghanistan. 54 Seine Strategie bestand darin, die Terrorattacken solange fortzusetzen, bis die Amerikaner in Afghanistan einmarschierten; dann würden die Mudschahidin über sie herfallen und sie solange malträtieren, bis das gesamte amerikanische Imperium seinen Wunden erliegen würde. Dieses Schicksal hatten schon Großbritannien und die Sowjetunion erlitten. Er war fest davon überzeugt, dass den Vereinigten Staaten dasselbe widerfahren würde. Doch die Kriegserklärung, der Angriff auf die amerikanischen Botschaften in Ostafrika und nun die Attacke auf die Cole hatten nicht genügt, um einen massiven Vergeltungsschlag zu provozieren. Es würde ein derart empörender Akt erforderlich sein, dass den Amerikanern keine andere Möglichkeit mehr blieb.
Nun stellt sich die Frage, ob der Angriff am 11. September oder eine ähnliche Tragödie auch ohne Bin Laden geschehen wäre. Die Antwort lautet, dass es ohne ihn sicher nicht dazu gekommen wäre. Es ist richtig, dass die tektonischen Platten der Geschichte in Bewegung geraten waren und einen Zusammenstoß zwischen dem Westen und der arabisch-muslimischen Welt nur zu einer Frage der Zeit machen würden; doch die Art und Weise der Auseinandersetzung wurde vom Charisma und von den Visionen weniger Personen geprägt. Zu der internationalen salafistischen Erhebung wäre es möglicherweise auch ohne die Schriften von Sajid Qutb und ohne Abdullah Assams Aufruf zum heiligen Krieg gekommen, aber al-Qaida hätte es nicht gegeben. Die Existenz von al-Qaida beruhte auf einer einzigartigen Verbindung von Persönlichkeiten - darunter insbesondere die Ägypter
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