Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
die sich auf den Weg gemacht hatten:
Wo ihr auch sein möget, der Tod wird euch finden, und wäret ihr im hohen Turm.
O’NEILL WAR eine umstrittene Person mit vielen Fehlern, aber im FBI gab es niemanden von ähnlichem Durchsetzungsvermögen und Engagement. Es gab niemand anderen, der die zurückgehaltenen Beweise häppchenweise der CIA entrissen und eine landesweite Rasterfahndung initiiert hätte, mit der man die Anschläge vom 11. September noch hätte verhindern können. Das FBI war eine furchtsame Bürokratie, die mächtige Personen verabscheute. Die Behörde war für ihren brutalen Umgang mit Mitarbeitern bekannt, die besonderen Ehrgeiz an den Tag legten oder die herrschende Meinung in Frage stellten. O’Neill schätzte die von al-Qaida ausgehende Bedrohung richtig ein, als sich kaum jemand damit beschäftigen wollte. Mit seinem Talent, sich Feinde zu machen, sabotierte er am Ende möglicherweise seine Karriere, aber seine Feinde spielten al-Qaida in die Hand, indem sie den Mann zerstörten, der den Lauf der Dinge vielleicht hätte ändern können. Das New Yorker Büro verlor das Ziel bereits aus den Augen, und ohne O’Neill beging es furchtbare Fehler.
Während O’Neill in Spanien war, schickte Kenneth Williams, ein FBI-Agent in Phoenix, eine alarmierende „elektronische Kommunikation“ an die Zentrale, an die Alec Station und an mehrere Kollegen in New York. 27 „Der Zweck dieser Mitteilung ist, die Leitung des FBI und das New Yorker Büro auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass Osama Bin Laden die Bemühung koordiniert, Studenten in die Vereinigten Staaten zu schicken, die zivile Flugschulen besuchen sollen“, schrieb Williams. Er wies die Zentrale auf die Notwendigkeit hin, die Flugschulen im ganzen Land unter die Lupe zu nehmen, die Fluglehrer zu befragen und eine Liste aller arabischen Studenten zu erstellen, die um ein Visum angesucht hatten, um sich in den Vereinigten Staaten zu Piloten ausbilden zu lassen.
Das Memo wurde ausgedruckt und verteilt. Jack Cloonan war einer der New Yorker Agenten, die es lasen. Er knüllte es zu einer Kugel zusammen und warf es gegen die Wand. „Wer soll diese 30 000 Befragungen durchführen?“, fragte er den Abteilungsleiter in Phoenix. „Woher zum Teufel sollen wir die Zeit dafür nehmen?“Dennoch überprüfte er mehrere arabische Namen, die sein Kollege aus Phoenix aufgelistet hatte. Die Recherche blieb ergebnislos. Die CIA, die ein Büro in Phoenix hatte, sah sich die Namen ebenfalls an und konnte keine Verbindungen herstellen. Wie sich später herausstellte, war einer der von dem Agenten aus Phoenix erwähnten Studenten mit Hani Hanjour befreundet, der zu den vermutlichen Todespiloten am 11. September zählte. Allerdings hätte eine Untersuchung wie jene, die der Agent vorschlug, nicht zur Entdeckung des Plans geführt. Zumindest nicht, wenn sie unabhängig von anderen Ermittlungen durchgeführt worden wäre.
Doch dann meldete sich Mitte August eine Flugschule in Minnesota bei der örtlichen Dienststelle des FBI. Die Fluglehrer waren besorgt über das Verhalten eines Schülers namens Zacarias Moussaoui. 28 Der Mann hatte verdächtige Fragen über die Flugkorridore rund um New York City gestellt und sich erkundigt, ob die Tür eines Cockpits während des Flugs geöffnet werden könne. Das FBI-Büro stellte rasch fest, dass Moussaoui ein radikaler Islamist war, der in Pakistan und wahrscheinlich auch in Afghanistan gewesen war. Die Agenten glaubten, es mit einem potenziellen Selbstmordattentäter zu tun zu haben. Da Moussaoui französischer Staatsbürger war und sich mit einem abgelaufenen Visum im Land aufhielt, stellte ihn die Einwanderungsbehörde INS unter Arrest. Die FBI-Agenten, die den Fall untersuchten, baten in der Zentrale um die Erlaubnis, Moussaouis Notebook untersuchen zu können, die jedoch nicht erteilt wurde, weil die Agenten die Maßnahme nicht mit einem konkreten Verdacht begründen konnten. Als der Abteilungsleiter in Minneapolis die Zentrale drängte, eine Untersuchung zuzulassen, bekam er zu hören, er versuche, die Leute „aufzustacheln“. Er erwiderte trotzig, er suche lediglich zu verhindern, „dass jemand ein Flugzeug nimmt und es ins World Trade Center steuert“- eine bizarre Vorahnung, die zeigt, welche Gedanken durch das Unterbewusstsein jener schwirrten, die sich mit den Gefahrenberichten befassten.
Moussaoui sollte vermutlich an einer zweiten Angriffswelle teilnehmen, die auf die Anschläge am 11. September folgen
Weitere Kostenlose Bücher