Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
wurde. Er war vollkommen gebrochen.
Nach dieser Episode vertiefte er sich ins Gebet. Er hatte einige Gebetsführer und kennzeichnete seine Lieblingsstellen mit Gummibändern oder Post-its. Besonders angetan hatten es ihm die Psalme, darunter die Nummer 142:
Wenn mein Geist in Ängsten ist, so nimmst du dich meiner an.
Sie legen mir Stricke auf dem Wege, darauf ich gehe.
Schaue zur Rechten und siehe! Da will mich niemand kennen.
Ich kann nicht entfliehen; niemand nimmt sich meiner Seele an.
HERR, zu dir schreie ich und sage:
Du bist meine Zuversicht, mein Teil im Lande der Lebendigen.
Merke auf meine Klage, denn ich werde sehr geplagt;
errette mich von meinen Verfolgern, denn sie sind mir zu mächtig.
In den hinteren Klappendeckel eines seiner in rotes Leder geschlagenen Breviere klemmte er einen Plan katholischer Gebetsstunden, und am 30. Juli begann er mit geradezu besessenem Eifer, sie penibel einzuhalten und abzuhaken. Es gibt heute nur noch wenige Katholiken, die wie die Muslime vier- oder fünfmal am Tag beten, aber vom Klerus und extrem inbrünstigen Gläubigen wird dieser uralte Rhythmus immer noch eingehalten. Möglicherweise zog O’Neill in seiner Religiosität Parallelen zwischen der frühen Kirche und bestimmten Merkmalen des zeitgenössischen Islams, da es in der Geschichte der Kirche von Märtyrern und strengen Ideologen, die man heute als religiöse Extremisten bezeichnen würde, nur so wimmelt. Er begann am 30. Juli, dem Gedenktag von Petrus Chrysologus - dem Bischof von Ravenna, der das Tanzen verboten und die Häretiker verfolgt hatte -, mit dem Fasten. Der folgende Tag ist der Gedenktag des heiligen Ignatius von Loyola, jenes unbeugsamen spanischen Soldaten, der den Jesuitenorden gründete. Das Ziel dieser Heiligen - eine von Gott beherrschte Gesellschaft - hat sehr viel mehr Ähnlichkeit mit der Vision von Sajid Qutb als mit dem Weltbild der meisten zeitgenössischen Christen.
In seinem Terminplan hakte O’Neill bis Sonntag, den 19. August, jedes Gebet ab. An diesem Tag erschien schließlich der Artikel über den Zwischenfall mit dem Aktenkoffer in der New York Times . Zu diesem Zeitpunkt brechen die Eintragungen plötzlich ab.
„DIE PFLICHTEN dieser Religion sind großartig und schwierig“, erklärte Bin Laden in einer auf Video aufgezeichneten Ansprache, die später auf dem Computer eines der Mitglieder der Hamburger Terrorzelle gefunden wurde. „Einige dieser Pflichten sind furchtbar.“ 26
Bin Laden sprach über den Propheten, der die Araber gewarnt hatte, ihre Liebe zum Leben und ihre Furcht vor dem Kampf würden sie schwächen. „Dieses Gefühl des Verlusts, dieses Elend, das uns befallen hat: all das beweist, dass wir Gott und seine Mission aufgegeben haben“, sagte Bin Laden. „Gott hat euch die Unterlegenheit aufgezwungen und wird sie nicht von euch nehmen, solange ihr nicht zu eurer Religion zurückkehrt.“
Bin Laden erinnerte daran, dass der Prophet auf dem Sterbebett verkündet hatte, der Islam solle die einzige Religion in Arabien sein, und fragte: „Welche Antwort können wir Gott am Tag der Abrechnung geben?... Die Umma [die Gemeinnschaft aller Muslime] ist verloren und zersplittert. Mittlerweile sind zehn Jahre vergangen, seit die Amerikaner das Land der beiden heiligen Stätten betreten haben... Es wird uns klar, dass die Scheu vor dem Kampf zusammen mit der Liebe zum irdischen Dasein, welche die Herzen vieler von uns erfüllt, die Quelle dieses Elends, dieser Demütigung und dieser Geringschätzung sind.“
Diese Worte berührten die Herzen von 19 jungen Männern, die teilweise begabt und gebildet waren und die ein angenehmes Leben im Westen führten - und doch empfanden sie Scham, als sie Bin Laden sagen hörten:
Was wollen wir? Was wollen wir?
Wollen wir nicht Gott gefallen?
Wollen wir nicht das Paradies gewinnen?
Er forderte sie auf, sich in Märtyrer zu verwandeln, ihr hoffnungsvolles irdisches Leben für die Herrlichkeit des Paradieses zu opfern. „Seht, dank Gottes Güte befinden wir uns seit über 20 Jahren im Rachen des Löwen: die russischen Skud-Raketen jagten uns mehr als zehn Jahre lang, und seit weiteren zehn Jahren jagen uns die amerikanischen Cruise Missiles. Der Gläubige weiß, dass er die Stunde seines Todes weder vorziehen noch hinauszögern kann.“Dann zitierte er eine Passage aus der vierten Sure des Korans, die er in dieser Ansprache dreimal wiederholte, was offensichtlich ein Signal an die Flugzeugentführer war,
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