Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
Mohammed Qutb, der jüngere Bruder des Märtyrers, eine Vorlesung an der Hochschule. 105 Bin Laden studierte zwar nie formell bei Qutb, doch er hörte sich seine öffentlichen Vorlesungen an. Qutb war äußerst populär bei den Studenten, die sein ruhiges und besonnenes Auftreten schätzten, obwohl auch er in Nassers Kerkern gelitten hatte.
Zu dieser Zeit verteidigte Mohammed Qutb energisch das Ansehen seines Bruders, der von moderaten Islamisten angegriffen wurde. Diese behaupteten, Meilensteine habe einer neuen, stärker gewaltbereiten Strömung von Radikalen den Weg bereitet, vor allem in Ägypten. Diese würden Sajid Qutbs Schriften dazu benutzen, Angriffe auf all jene Andersdenkenden zu rechtfertigen, die sie als Ungläubige betrachteten, darunter auch andere Muslime. Zu den führenden Kritikern Qutbs zählte Hassan Hudajbi, der oberste Führer der Muslimbrüder, der eigene Gefängnisaufzeichnungen mit dem Titel Prediger, nicht Richter veröffentlichte, um ein Gegengewicht zu Qutbs verführerischem Spiel mit dem Chaos zu schaffen. Nach Hudajbis wesentlich orthodoxerer theologischer Auffassung konnte kein Muslim einem anderen seinen Glauben absprechen, so lange dieser das schlichte Glaubensbekenntnis ablegte: „Es gibt keinen Gott außer Gott, und Mohammed ist sein Prophet.“Die Debatte zwischen Qutb und Hudajbi, die in den ägyptischen Gefängniszellen ihren Ausgang genommen hatte, verbreitete sich rasch in der islamischen Welt, als junge Muslime Partei ergriffen in dem Streit darüber, wer ein echter Muslim sei und wer nicht. „Osama las Hudajbis Buch 1978, und wir haben uns darüber unterhalten“, erinnerte sich Dschamal Chalifa. „Osama stimmte ihm uneingeschränkt zu.“Doch schon bald sollten sich seine Ansichten ändern, und dieser fundamentale Umschwung - von Hudajbis toleranter und offener Sicht des Islam zu Qutbs enger Auslegung - sollte den Weg zum Terrorismus öffnen.
Im selben Jahr wurde Osamas und Najwas Sohn Abdullah geboren. Er war das erste ihrer elf Kinder, 106 und gemäß arabischer Tradition wurden die Eltern nun Abu (der Vater von) Abdullah und Umm (die Mutter von) Abdullah genannt. Anders als sein eigener Vater kümmerte sich Osama viel um seine Kinder und spielte mit ihnen - er fuhr mit seiner rasch wachsenden Familie gern ans Meer -, aber er stellte auch Ansprüche an sie. Er hatte feste Vorstellungen davon, wie er sie auf das harte Leben vorbereiten müsse, das sie erwarten würde. An den Wochenenden holte er seine Söhne und Töchter auf das Anwesen, um sie mit Kamelen und Pferden vertraut zu machen. Sie schliefen unter freiem Himmel, und wenn es kalt war, gruben sie sich in den Sand ein. 107 Bin Laden weigerte sich, sie in die Schule zu schicken, und holte stattdessen Lehrer zu sich nach Hause, damit er den Unterricht genau überwachen konnte. 108 „Er wollte, dass sie hart wurden, anders als die anderen Kinder“, erzählte Dschamal Chalifa. „Er hielt die anderen Kinder für verwöhnt.“
Bin Ladens zweiter Sohn Abdul Rahman kam mit einem seltenen und erst wenig erforschten Geburtsfehler zur Welt, einem Hydrozephalus, im Volksmund Wasserkopf genannt. 109 Diese Missbildung entsteht durch einen Überschuss an Rückenmarksflüssigkeit, die sich in den Nervenkammern sammelt, was zu einer Vergrößerung des Kopfes und einer Schrumpfung des Gehirns führt. Nach der Geburt dehnt sich der Kopf weiter aus, wenn die Flüssigkeit nicht abgeleitet wird. Abdul Rahmans Zustand war so ernst, dass Bin Laden das Baby selbst zur Behandlung nach Großbritannien brachte - wahrscheinlich das einzige Mal, dass er in den Westen reiste. Als ihm die Ärzte erklärten, dass sie seinem Sohn einen Katheter ins Gehirn einsetzten müssten, weigerte sich Bin Laden, ihn operieren zu lassen. Er kehrte nach Saudi-Arabien zurück und behandelte das Kind selbst mit Honig, einem Volksheilmittel, das bei verschiedensten Gebrechen eingesetzt wurde. 110 Aufgrund des Gehirnschadens verzögerte sich Abdul Rahmans geistige Entwicklung. Als er älter wurde, neigte er zu starken Gefühlsausbrüchen. Es fiel ihm schwer, mit den anderen Kindern auszukommen, vor allem bei den anstrengenden Aktivitäten im Freien, die Bin Laden ihnen verordnete; häufig weinte er, um Aufmerksamkeit zu erlangen, oder er provozierte Raufereien, wenn nicht alles so lief, wie er wollte. Doch Bin Laden bestand darauf, dass Abdul Rahman immer einbezogen wurde; er achtete besonders darauf, dass sein Sohn niemals allein gelassen wurde.
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